Fachgespräch: Mobilität für alle – für ein barrierefreies Verkehrsnetz

[10.04.2017]  Fachgespräch
Bild vom Fachgespräch: Fünf Personen an einem Tisch, u.a. Matthias Gastel, Anton Hofreiter und Corinna Rüffer
von rechts nach links: Corinna Rüffer, Anton Hofreiter, Matthias Gastel

Bus und Bahn sind häufig nicht barrierefrei nutzbar – das wissen alle, die im Rollstuhl, mit Rollator, Kinderwagen oder E-Scooter unterwegs sind. Auch wer blind oder gehörlos ist, kann öffentliche Verkehrsmittel häufig nicht ohne Probleme nutzen. Fehlende taktile Leitsysteme und Signaltöne erschweren blinden Menschen die Orientierung. Gehörlose Menschen sind von wichtigen Informationen ausgeschlossen, wenn diese nur durchgesagt werden. Eigentlich sollen diese Probleme bis zum 1. Januar 2022 behoben sein: Bis dahin muss laut Personenbeförderungsgesetz im ÖPNV vollständige Barrierefreiheit umgesetzt sein.

Doch dieses Ziel wird nicht erreicht, wie die Bundesregierung kürzlich zugeben musste. Warum wurde bei unserem Fachgespräch „Mobilität für alle – für ein barrierefreies Verkehrsnetz“ mit VertreterInnen von Fahrgastverbänden, Verkehrsunternehmen, Krankenkassen und Kommunalen Spitzenverbänden, das am 20. März in Berlin stattfand, schnell deutlich: Es gibt noch sehr, sehr viele Baustellen auf dem Weg zu umfassender Barrierefreiheit.

Das beginnt schon mit der Parkplatzsituation an Bahnhöfen und Haltestellen, die für gehbehinderte Menschen häufig ungenügend ist. Völlig unbefriedigend ist auch, dass man sich bei der Bahn mindestens einen Tag vorab anmelden muss, wenn man mit Rollstuhl unterwegs ist. Bei Fernbussen sogar wesentlich früher, so Alexander Ahrens vom Verkehrsclub Deutschland. Problematisch ist zudem die Finanzierung von Rollstühlen, die bestimmte Haltevorrichtungen für den Transport im ÖPNV benötigen. Denn die Krankenkassen ziehen sich darauf zurück, dass sie nur für Hilfsmitteln zuständig seien, die in der Wohnung oder deren näherer Umgebung benötigt werden.

Doch auch wenn Verkehrsunternehmen gewillt sind, Barrierefreiheit umzusetzen, gibt es Probleme: So sei die Standards der Barrierefreiheit nicht klar definiert, erklärte Oliver Glaser, Geschäftsführer der Verkehrsbetrieb Potsdam: „Es ist überhaupt nicht klar, was mit der Vorgabe ‚vollständige Barrierefreiheit‘ konkret gemeint ist. Wie groß darf eine Lücke zwischen Fahrzeug und Haltestelle beispielsweise sein?“

Es gibt also noch viel zu tun für ein Verkehrsnetz für alle. Wir werden uns insbesondere dafür einsetzen, dass Barrieren an Bahnhöfen und Haltestellen schneller abgebaut werden als bisher. Der Bund muss den Ländern ausreichend Gelder zur barrierefreien Umgestaltung des ÖPNV zur Verfügung stellen und die Einhaltung festgesetzter Standards besser kontrollieren.

Manche Hindernisse sind aber auch einfach und kostengünstig zu beheben: So regte Alexander Ahrens für die Online-Buchung im Fernbusverkehr einen Rollstuhl-Button an, über den ersichtlich wird, welche Verbindungen überhaupt genutzt werden können. Mehr Barrierefreiheit bei geringen Kosten könne auch erreicht werden, wenn Fernbusse auch die ÖPNV-Bushaltestellen nutzen dürften, so Ulf-D. Schwarz, Geschäftsführer des Bundesverbandes Selbsthilfe Körperbehinderte.