Kein Interesse an Situation von Geflüchteten mit Behinderung

[27.03.2017]  Anfrage

Behinderte Menschen, die nach Deutschland geflohen sind, werden schlecht versorgt. Darauf weisen zahlreiche Hilfsorganisationen hin. Die schwierige Situation von Geflüchteten mit Behinderungen ist der Bundesregierung aber absolut egal – nicht anders sind die Antworten auf unsere Kleine Anfrage „Zur Lage von Geflüchteten Menschen mit Behinderungen“ zu verstehen.

Es ist ein bitterer Witz, wenn die Bundesregierung behauptet, die gesetzlichen Regelungen für Geflüchtete mit Behinderungen stünden im Einklang mit der UN-Behindertenrechtskonvention. Das Gegenteil ist der Fall, denn das Asylbewerberleistungsgesetz erschwert die notwendige medizinische Versorgung erheblich. Das hat der zuständige UN-Fachausschuss im Staatenprüfungsverfahren auch deutlich kritisiert. Und das gerade erst verabschiedete Bundesteilhabegesetz schließt behinderte Geflüchtete sogar explizit von Leistungen der Eingliederungshilfe, wozu auch Heil- und Hilfsmittel gehören, aus. Selbst im aktuellen ⇒ Teilhabebericht der Bundesregierung (Pdf-Datei) weist der wissenschaftliche Beirat darauf hin, dass die gesundheitliche Versorgung von behinderten Geflüchteten „in besonderem Maße problematisch ist“.

Ein grundlegendes Problem ist, dass besonders schutzbedürftige Personen nicht systematisch erfasst und registriert werden – obwohl die EU-Aufnahmerichtlinie das vorschreibt. Das fehlende Wissen über die besonderen Hilfebedarfe bedingt maßgeblich die schlechte Versorgungslage. Dennoch ist die Bundesregierung der Ansicht, dass eine länderübergreifende systematische Erfassung durch den Bund unnötig ist (Antwort/Frage 2). Die erforderlichen Hilfen würden „regelmäßig bereits im Rahmen der Aufnahme der Asylsuchenden durch die Aufnahmeeinrichtungen der Länder festgestellt“. Bei einer öffentlichen Anhörung des Deutschen Instituts für Menschenrechte haben jedoch alle befragten Organisationen einstimmig erklärt, dass keine bedarfsgerechte Versorgung eingeleitet werden kann, solange die Betroffenen nicht registriert werden.

Erschreckend ist auch, wie gleichgültig die Bundesregierung beispielsweise gegenüber sehbehinderten oder blinden Asylsuchenden ist: Formulare des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zum Asylverfahren in Brailleschrift gibt es nicht und wird es auch nicht geben, weil die technischen Voraussetzungen fehlen (Frage/Antwort 9). Der Internet-Auftritt des BAMF hätte bereits 2014 barrierefrei gestaltet werden sollen, doch bis heute ist nichts geschehen. Absurd und lächerlich ist die Begründung, die die Bundesregierung dafür hat: „Durch das hohe Arbeitsaufkommen aufgrund des Zustroms von Asylsuchenden in den Jahren 2014 und 2015 konnten dafür jedoch nicht genügend personelle Ressourcen bereitgestellt werden“ (Frage/Antwort 12). Anscheinend sind BAMF-MitarbeiterInnen in Personalunion für Asylverfahren und die Programmierung der Website zuständig.

Es ist ein Armutszeugnis, dass Bundesregierung keinerlei Erkenntnisse darüber hat, wie sich die mangelnde Betreuungssituation für geflüchtete Menschen mit Behinderungen auch auf die Angehörigen auswirkt (Frage/Antwort 19 & 20). Denn viele Fachverbände kritisieren, dass es insbesondere für behinderte Kinder keine guten Angebote gibt. Vor allem ist das auch deshalb ein ernstes Problem, weil es die Integrationschancen der betreuenden Angehörigen beeinträchtigt, da sie aufgrund der fehlenden Betreuung oftmals selber nicht an Sprach- oder Integrationskursen teilnehmen können.