„Das ist kein Teilhabegesetz!“

[01.12.2016]  Rede
Rede zur Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes (1.12.2016)

Seit vielen Jahren reden wir über die Aufgabe, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Die Vereinten Nationen haben Deutschland Empfehlungen auf den Weg gegeben, in denen deutlich steht, was zu tun ist. Behinderte Menschen und ihre Verbände haben immer wieder klar gemacht, an welchen Stellen sie benachteiligt werden, wo sie kämpfen müssen, was schief läuft.

Und heute stimmen wir über ein Gesetz ab, das wesentliche Probleme behinderter Menschen immer noch nicht berücksichtigt. Ein Gesetz, das weit hinter den Erwartungen zurückbleibt, weil er die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen nicht wesentlich verbessert. Wir stimmen über ein Gesetz ab, mit dem die Bundesregierung das Vertrauen behinderter Menschen verspielt hat. Und das in einer Zeit, in der das Misstrauen gegenüber „der Politik“ so hoch ist, wie lange nicht mehr.

Ich bin froh, dass Verschlechterungen gegenüber der geltenden Rechtslage zum Teil zurückgenommen worden sind, zum Beispiel bei der Schnittstelle zwischen der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege. Auch beim Wunsch- und Wahlrecht konnten wir noch Kleinigkeiten verbessern konnten, und die unsinnige Fünf-von-Neun-Regelung ist zumindest bis 2023 vom Tisch. Das reicht aber nicht, um auf dieses Gesetz stolz zu sein.

Wenn man den Gesetzentwurf im Detail anschaut und abwägt, dann muss ich sagen,
dass er keine Verbesserung gegenüber der gültigen Rechtslage ist. Mit diesem Gesetz wird zum Beispiel nicht verhindert, dass zukünftig Menschen in Heime gezwungen werden. Das findet bereits heute statt und wird auch künftig passieren. Und für Menschen mit Behinderungen, die einen besonders hohen Unterstützungsbedarf haben, die Menschen, die nach wie vor aus Werkstätten ausgeschlossen werden, für die es kaum Angebote gibt, tut dieses Gesetz gar nichts. Das ist ein Armutszeugnis.

Weitere Informationen dazu: » Persönliche Erklärung zur Abstimmung über das Bundesteilhabegesetz