Sachverständige begrüßen Antrag zur Kassenzulassung von Pränataltest

[25.10.2024]  Anhörung
Reagenzglas mit Blut, in das jemand eine Pipette hält.

Im Gesundheitsausschuss fand am 9. Oktober die Sachverständigen-Anhörung zu unserem interfraktionellen Antrag „Kassenzulassung des nichtinvasiven Pränataltests“ statt. Gleich zu Beginn wurde deutlich: Der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), den nicht-invasiven Pränataltest auf die Trisomien 13, 18 und 21 (NIPT) als Kassenleistung zuzulassen, verfehlt seine Intention und Zielsetzung. So stellte bereits im ersten Statement der Anhörung Frau Prof. Dr. Jeanne Nicklas-Faust fest, dass in nahezu 40% der Schwangerschaften der Test in Anspruch genommen werde. Dies entspreche keiner Untersuchung in Einzelfällen, wie es für den NIPT in der Mutterschaftsrichtlinie eigentlich vorgesehen sei.

Dem schloss sich auch Prof. Josef Hecken, Vorsitzender des G-BA, an: „Wir wollten kein Screening, das steht auch ausdrücklich in der Mutterschaftsrichtlinie. Wir wollen keinen Massentest.“ Deshalb müsse sich der Gesetzgeber der fundamentalen ethischen Frage annehmen, die mit der Kassenzulassung des NIPT verbunden sei – nämlich, ob wir in einer Gesellschaft leben, die nur noch „gesunde, schöne Menschen“ haben wolle.

Aus den Reihen der Ärzteschaft wurde vor allem auf die hohe Testgüte des NIPT verwiesen, also die Wahrscheinlichkeit, dass das angezeigte Ergebnis tatsächlich stimmt und nicht falsch-negativ oder falsch-positiv ist. Gleichwohl wurde eingeräumt, dass es insbesondere bei jüngeren Frauen häufiger falsch positive Befunde vorkommen.
Äußerungen von einzelnen Sachverständigen aus der Ärzteschaft, die Trisomie 21 mit einer Erkrankung oder sogar einem Problem gleichsetzten, stießen auf deutliche Kritik: Das sei nicht nur verletzend für die Betroffenen, so Carina Kühne, Aktivistin mit Down-Syndrom. Es stehe auch im Widerspruch zur UN-Behindertenrechtskonvention und dem verfassungsrechtlichen Schutz der Menschwürde, betonte der Bremer Behindertenbeauftragte Arne Frankenstein. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht, dass sich aus dem Verbot, behinderte Menschen zu benachteiligen (Art. 3 GG), besondere Handlungspflichten des Gesetzgebers ergeben. Insofern liege beim NIPT ein gesetzgeberisches Unterlassen vor.

Prof. Dr. Marion Baldus verwies darauf, dass der Test für schwangere Frauen nicht unbedingt ein Zugewinn im Sinne eines informierten und selbstbestimmten Ablaufs der Schwangerschaft bedeute. Denn da der NIPT immer mehr zur Norm und Routine werde, sei es umso schwieriger, sich dagegen zu entscheiden.
Noch deutlicher legte es Tina Sander von mittendrin e.V. dar: Mit der Kassenzulassung des NIPT habe die Gesellschaft quasi die Vereinbarung getroffen, dass ein Kind mit Trisomie 21 vermeidbar sei. Statt die Selbstbestimmung von Frauen zu stärken, verschärfe der NIPT deshalb den Deutungsrahmen in die Richtung, dass Frauen selbst dafür verantwortlich seien, wenn sie ein Kind mit Behinderung, insbesondere mit Trisomie 21 bekämen.

Was die Umsetzung der beiden Forderungen des Antrags betrifft, äußerten sowohl Frau Dr. Rißmann als auch Silke Koppermann, dass in das Monitoring quantitative und qualitative Aspekte – wie beispielsweise Qualität der Beratungsgespräche – einbezogen werden müssten. Gleich mehrere Sachverständige wiesen darauf hin, dass im Expertengremium, welches der Antrag fordert, auch Betroffene und ihre Selbstvertretungen repräsentiert sein müssten.

Fazit: In der Anhörung traten die ethischen und gesellschaftlichen Fragen, die mit der Kassenzulassung des NIPT verbunden sind, deutlich zu Tage. Im Zentrum stand die Frage, ob wir in einer Gesellschaft leben wollen, in der Menschen mit Behinderungen als vermeidbar und das „Recht“ auf ein „gesundes Kind“ gilt. Die große Mehrheit der Sachverständigen begrüßte den Antrag. Ein Monitoring und Expert*innengremium wurden als sinnvolle Maßnahmen bewertet, um eine fundierte Auseinandersetzung mit der Kassenzulassung des NIPT zu ermöglichen. Dabei wurde deutlich, dass dies nur der erste Schritt sein kann. In der Folge muss der Bundestag auf Grundlage der Ergebnisse, die ethische Debatte aufnehmen und eine Regelung für diesen und zukünftige Pränataltests finden.

Antrag „Kassenzulassung des nicht-invasiven Pränataltests – Monitoring der Konsequenzen und Einrichtung eines Gremiums“ (Drs 20/10515, vom 28.02.2024)

Sachverständigenliste und Stellungnahmen zur Anhörung