Persönliche Erklärung der Abgeordneten Lisa Paus, Steffi Lemke, Sylvia Kotting-Uhl, Beate Müller-Gemmeke, Monika Lazar, Corinna Rüffer und Harald Terpe nach § 31 GO BT zum Antrag der Bundesregierung für eine Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands (3. Hilfspaket für Griechenland, Bundestags-Drucksache 18/5780 ):
Mit dem dritten Hilfsprogramm kann das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone vorerst verhindert werden. Es wurde aber erneut versäumt, die notwendigen Bedingungen für eine wirtschaftliche Erholung und nachhaltige Entwicklung zu schaffen. Es fehlt sowohl an einer konsequenten Investitionsförderung als auch einer garantierten Tragfähigkeit der griechischen Staatsschulden. Zudem wurde das jetzige Programm nicht auf Augenhöhe verhandelt. Die Maßnahmen wurden der griechischen Regierung, die mit der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Banken erpresst wurde, von außen aufgezwungen. So wird die griechische Demokratie auf absehbare Zeit entmachtet. Im Ergebnis steht das Land kurz vor Neuwahlen und weiteren Monaten der politischen Instabilität. Angesichts dieser zwiespältigen Gesamtbilanz haben wir uns heute im Bundestag enthalten. Wir bedauern sehr, dass die Bundesregierung nicht willens war, einen Kompromiss zu erzielen, der für Griechenland eine belastbare Perspektive schafft und Europa stärkt und die europäische Idee weiter entwickelt.
Unrealistische Haushaltsziele und kein Ende der Austerität
Es gibt durchaus positive Aspekte im beschlossenen Memorandum of Understanding. Dazu gehört der intensivierte Kampf gegen Steuervermeidung, die höheren Steuern für Reeder und die Kürzungen im griechischen Verteidigungshaushalt. Zugleich sind darin aber viel zu viele Elemente enthalten, die für eine Fortsetzung des schädlichen Austeritätskurses sorgen werden: beispielsweise die Kürzung der Zusatzrenten, die Erhöhung des Renteneintrittsalters und der Mehrwertsteuern auf den Inseln auf 23 Prozent. Unter diesen Umständen scheint der für das Jahr 2018 anvisierte Primärüberschuss von 3,5 Prozent vollkommen unrealistisch. In jedem Fall wird durch diese nach wie vor unrealistischen Sparziele ein großer Druck auf dem neu geschaffenen Privatisierungsfonds lasten. Die Erfahrungen mit der deutschen Treuhand zeigen, dass Zeit hierbei die entscheidende Komponente ist. Kurzfristiger Handlungsdruck angesichts nach wie vor hoher Einnahmeanforderungen wird einen Preisverfall des öffentlichen Eigentums bewirken und verhindert die langfristige Sanierung und strategische Neuaufstellung der öffentlichen Infrastruktur gerade in ökologischen Schlüsselsektoren wie Energie und Verkehr. Das ist eine schwere Hypothek für die Zukunft.
Mit weiteren Sparmaßnahmen wird die Armut in Griechenland steigen und es ist auch nicht absehbar, wie eine Mindestsicherung kostenneutral eingeführt werden kann. Zudem enthält das Memorandum of Understanding die Forderung, dass in einem Konsultationsprozess die Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt überprüft werden sollen. Schon die Eingriffe in die Tarifautonomie in den vergangenen Jahren waren nicht akzeptabel und sie widersprechen auch den europäischen Verträgen, der europäischen Grundrechtecharta und sind mit dem europäischen Sozialmodell nicht zu vereinbaren. Nur mit wirkungsvollen Mindeststandards, Arbeitnehmerrechten und gelebter Solidarität kann Europa ein soziales und demokratisches Konstrukt bleiben.
Ohne Schuldenerleichterung bleibt das Hilfsprogramm eine Fehlkonstruktion
Die griechische Staatsschuldenquote wird nach den Vorhersagen der Troika schon bald die Marke von 200 Prozent übersteigen. Nach heutigem Stand wird auch der Bruttofinanzierungsbedarf des Staates perspektivisch die kritischen Grenzen überschreiten. Griechenland wird nur dauerhaft aus der Krise kommen und auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zurückkehren, wenn die Tragfähigkeit der Staatsschulden gesichert wird. Die Strategie von Schäuble und Merkel wird hingegen scheitern, wenn die Schuldenlast des Staates weiter die ökonomische Gesundung hemmt. Dass der IWF sich nicht an der Auszahlung der ersten Tranche beteiligt, zeigt, wie groß die Differenzen unter den Gläubigern sind. Eine effektive Umschuldung bleibt in der Schwebe. Damit kann aber auch ein Scheitern des Hilfsprogramms weiterhin nicht ausgeschlossen werden.
Griechenland wird zur Schuldenkolonie
Das neue Hilfsprogramm ist an massive Eingriffe in die staatliche Souveränität Griechenlands gebunden. Anders als im bisherigen Prozess der europäischen Einigung handelt es sich dabei um einseitige Maßnahmen. So werden die Fortschritte des neuen Programms nicht nur alle drei Monate kontrolliert, Ministerpräsident Tsipras musste sich außerdem dazu verpflichten alle vorherigen Maßnahmen seiner Regierung zurückzunehmen, die nicht mit der Troika abgestimmt waren. Darüber hinaus wird der einzurichtende Privatisierungsfonds unter externe Aufsicht gestellt, womit Griechenland faktisch die Kontrolle über sein öffentliches Eigentum verliert. Dieses Vorgehen schwächt das Vertrauen in Europa und seinen Sinn für Demokratie und Diversität. Das Ergebnis sind Vertrauensverlust in demokratische Strukturen, politische Instabilität und eine brachiale Staatsreform, die Tsipras unter dem ständigen Risiko von Neuwahlen durchsetzen zu muss.
Der Grexit ist und bleibt keine Alternative. Griechenland ist weiter auf die Solidarität Europas angewiesen und es wird unsere Aufgabe in Deutschland sein, weiter für diese Solidarität und für ein solidarisches Europa zu werben und die öffentliche Auseinandersetzung darüber mit den nationalkonservativen Kräften zu suchen.