G-BA-Beschluss zum pränatalen Bluttest ist fatal

[19.08.2021]  Pressemitteilung

Zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), den nicht-invasiven Pränataltest (NIPT) in die Mutterschaftsrichtlinien aufzunehmen und damit die Kassenfinanzierung des Bluttests zu besiegeln, erklärt Corinna Rüffer, Sprecherin für Behindertenpolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen:

Ich halte den Beschluss, den der G-BA heut gefällt hat, inhaltlich für falsch.

Aufgabe der Krankenkassen ist es, Leistungen zu finanzieren, die einen medizinisch-therapeutischen Nutzen haben. Dieser Test hat das nicht. Ein Testergebnis besagt lediglich, ob das werdende Kind wahrscheinlich eine Trisomie hat oder nicht. Es gibt keine Behandlungsoption, um die medizinische Versorgung von Mutter oder Kind zu verbessern.

Die Kassenübernahme des Bluttests fördert keine unbeschwerte Schwangerschaft – im Gegenteil: Die Erwartungshaltung an Schwangere, ein gesundes und nicht behindertes Kind auf die Welt zu bringen, wird zunehmen. Und die heutige Entscheidung wird dazu beitragen, dass ein Leben mit Beeinträchtigung als etwas Negatives erscheint, das es zu vermeiden gilt.

Besonders fatal ist, dass die Kassen den Test nicht nur bei Risikoschwangerschaften, sondern im Prinzip grundsätzlich übernehmen werden, wenn die Sorge besteht, dass Kind könnte eine Behinderung haben. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Test künftig als „Screening“ eingesetzt wird – obwohl der G-BA-Vorsitzende genau das als „ethisch unvertretbar“ bezeichnet hatte.

Die heutige Entscheidung ist gefallen, ohne dass es eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der ethischen Dimension gab: Wollen wir ein Gesundheitssystem, dass Leistungen zahlt, die der Selektion dienen? Wollen wir in einer Gesellschaft leben, in der Kinder vorgeburtlich nach Behinderung und Gesundheit aussortiert werden?

Auch wenn der G-BA heute mit der Versicherteninformation die Kassenfinanzierung der NIPT beschlossen hat, ist das Thema damit nicht vom Tisch. Die Politik muss endlich dem Auftrag nachkommen zu entscheiden, wie wir mit einer Pränataldiagnostik umgehen wollen, die immer mehr möglich macht.

Hintergrund:
Aufgrund des Antrags eines Herstellers solcher Bluttest hatte der G-BA 2016 ein Bewertungsverfahren gestartet. Am 19. September 2019 beschloss der G-BA, dass der Bluttest auf Trisomien 13, 18 und 21 in die Mutterschaftsrichtlinien aufgenommen und Kassenleistung wird. Voraussetzung für eine Kostenübernahme durch die GKV ist aber auch, dass die verpflichtend vorgesehene Versicherteninformation entwickelt und vom G-BA beschlossen wird. Nachdem das heute geschehen ist, tritt der Beschluss über die Kassenzulassung vom September 2019 in Kraft.