Barrierefreie Gesundheitsversorgung – noch viel Nachholbedarf

[22.11.2020]  Anfrage

Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind durch das Terminservice- und Versorgungsgesetzes seit Mai 2015 dazu verpflichtet, ihre Versicherten im Internet in geeigneter Weise über die „Zugangsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen zur Versorgung (Barrierefreiheit)“ zu informieren. Doch trotz der eindeutigen gesetzlichen Verpflichtung hat sich seitdem wenig getan: Die Kassenärztlichen Vereinigungen kommen ihrer Verpflichtung bislang „nicht in angemessener Weise“ nach, stellten die Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern im Sommer fest. Zudem sei der Kriterienkatalog für die Barrierefreiheit von Arztpraxen unvollständig, undifferenziert und teilweise widersprüchlich.

Wir haben deshalb mit einer Kleinen Anfrage nachgehakt, wie es um die Umsetzung einer barrierefreien Gesundheitsversorgung steht. In 24 Fragen wollten wir u.a. wissen, was die Bundesregierung unter barrierefreien Arztpraxen versteht, welche Vorgaben für die Definition von Barrierefreiheit bestehen und was geplant ist, damit Menschen mit Behinderungen Assistenz auch im Krankenhaus erhalten.

Bisher melden nur sieben der 17 Kassenärztlichen Vereinigungen Daten zur Barrierefreiheit von Arztpraxen. Diese beruhen auf Selbsteinschätzung der Praxisinhaber*innen. Demnach ist nur jede vierte Arztpraxen barrierefrei – wobei der Anteil je Bundesland stark variiert, von etwa 50 Prozent barrierefreier Praxen in Brandenburg bis lediglich 16 Prozent in Rheinland-Pfalz.
Doch trotz der dünnen Datenlage und des insgesamt nur unzureichenden barrierefreien Zugangs zur ambulanten ärztlichen Versorgung beabsichtigt die Bundesregierung derzeit keine „zusätzliche rechtliche Regelungen zur Berücksichtigung des Kriteriums der Barrierefreiheit von Praxen im Rahmen des vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Zulassungsverfahrens“.

Zum Thema „Assistenz im Krankenhaus“ kann die Bundesregierung nur sagen, man habe „einen Beteiligungsprozess initiiert, um konkrete Fallkonstellationen und Fragestellungen (…) zu erörtern“. Das ist enttäuschend wenig bei einem Problem, dass seit vielen Jahren bekannt ist und zu dem der Bundestag bereits im Mai eine Petition mit dem höchsten Unterstützungs-Votum an die Bundesregierung überwiesen und diese zum Handeln aufgefordert hat.

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Umsetzung einer barrierefreien Gesundheitsversorgung“, Bundestags-Drucksache 19/23214, 8.10.2020