Bundesregierung verkennt Innovationsmotor Barrierefreiheit

[05.05.2021]  Anfrage

Behinderte Menschen stoßen im Alltag schnell an die Grenzen der gleichberechtigten Teilhabe. Ein Kino- oder Arztbesuch kann schwierig und sogar unmöglich werden, wenn Verkehrsmittel und Gebäude nicht barrierefrei sind. Barrieren entstehen auch, wenn Webseiten für sehbehinderte Menschen nicht lesbar sind, keine Informationen in Leichter Sprache zur Verfügung stehen oder keine barrierefreie Wohnung gefunden wird.

Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) macht zwar Vorgaben zu Barrierefreiheit, allerdings nur für den öffentlich-rechtlichen Bereich im direkten Einflussbereich des Bundes. Für die Privatwirtschaft gilt das nicht – und geht es nach dem Willen der Bundesregierung, wird das auch so bleiben. Das offenbart meine Kleine Anfrage.

Zwar hatten SPD und Union im Koalitionsvertrag festgehalten zu prüfen, ob private Anbieter bestimmter Produkte und Dienstleistungen zu Barrierefreiheit verpflichtet werden können. Doch auch nach vier Jahren ist diese Prüfung „nicht abgeschlossen“ (Frage/Antwort 41). Das ist umso erstaunlicher, weil die Bundesregierung an anderer Stelle betont, dass einheitliche Barrierefreiheitsanforderungen „in mehrfacher Hinsicht positive Auswirkungen haben“, auch für Wirtschaftsunternehmen (Frage/Antwort 36).

Großer Handlungsbedarf besteht weiterhin beim Thema Bauen und Wohnen, denn bis 2035 werden über zwei Millionen barrierearme Wohnungen fehlen. Doch SPD und Union haben nicht mal eine Mittelaufstockung des Bundesprogramms „Altersgerecht Umbauen“ vorgesehen (Frage/Antwort 3).

Barrierefreiheit ist ein Zukunftsthema und Innovationsmotor für Wirtschaft und Wettbewerb. Denn künftig werden aufgrund des demografischen Wandels immer mehr Menschen auf barrierefreie Produkte und Dienstleistungen angewiesen sein oder davon profitieren. Es ist deshalb fahrlässig, nur auf Freiwilligkeit setzen. Auch privatwirtschaftliche Anbieter von kommerziellen Produkten oder Dienstleistungen müssen zur Herstellung von Barrierefreiheit verpflichtet werden.

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Gleichberechtigte Teilhabe und Barrierefreiheit“, Bundestags-Drucksache 19/28569, 15.04.2021