Zum Schwerpunktkapitel „Menschen mit Behinderung im Bildungssystem“ des Bildungsberichts 2014 erklärt Corinna Rüffer, behindertenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen:
Fünf Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention sind wir von einem inklusiven Bildungssystem in Deutschland noch sehr weit entfernt. Der Großteil der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf besucht nach wie vor eine Förderschule; die Förderschulbesuchsquote ist nicht nennenswert zurückgegangen.
Auch jenseits rechtlicher Verpflichtungen besteht hier erheblicher Nachholbedarf, denn inklusive Bildungsangebote sind der Grundstein für gleichberechtigte Teilhabe auch in anderen Lebensbereichen. Das hat gerade erst die Studie zur „Berufsausbildung junger Menschen mit Behinderungen“ festgestellt: Wer einen Ausbildungsplatz sucht, kommt mit dem Abschlusszeugnis einer Förderschule nicht weit. Die allermeisten Arbeitgeber bevorzugen einen Hauptschulabschluss. Doch drei Viertel der Schülerinnen und Schüler, die eine Förderschule besuchen, erreichen keinen Hauptschulabschluss – obwohl Deutschland sehr viele Ressourcen in sein ausdifferenziertes Förderschulsystem steckt.
In der aktuellen Debatte, ausgelöst durch den „Fall Henri“, wird das Ziel des gemeinsamen Lernens von Kindern mit und ohne Beeinträchtigung von manchen in Frage gestellt. Doch es geht längst nicht mehr darum, ob wir ein inklusives Bildungssystem aufbauen. Dazu ist Deutschland laut UN-Konvention verpflichtet. Es geht lediglich um das wie. Und dazu gehört auch, dass wir die Expertise und die Ressourcen, die im deutschen Förderschulsystem stecken, in das Regelschulsystem einfließen lassen.