Kinderrechte bei freiheitsbeschränkenden Maßnahmen stärken

[28.09.2016]  Pressemitteilung

Zum Fraktionsbeschluss, einen Gesetzentwurf zur „Einführung eines gerichtlichen Genehmigungserfordernisses bei freiheitsbeschränkenden Maßnahmen gegenüber Kindern“ einzubringen, erklären Corinna Rüffer, Sprecherin für Behindertenpolitik, und Katja Keul, Sprecherin für Rechtspolitik:

Es ist eine unerträgliche Vorstellung, wenn ein Kind stundenlang im Zimmer eingesperrt oder mit Riemen an ein Bett fixiert wird. Doch in einigen Behindertenheimen gelten Zwangsmaßnahmen als pädagogische oder therapeutische Notwendigkeit.

Wir brauchen unbedingt stärkere Schutzmechanismen, um die Grundrechte der Kinder zu wahren. Bislang muss das Gericht nur zustimmen, wenn ein Kind in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht werden soll. Für die dort erfolgenden freiheitsbeschränkenden Maßnahmen reicht eine Einverständniserklärung der Eltern aus. Doch solche Maßnahmen können – vor allem bei ständiger Wiederholung – für die betroffenen Kinder viel gravierender sein als die Unterbringung selbst. Deshalb muss auch für Kinder in stationären Einrichtungen künftig gelten, was für Erwachsene schon längst im Gesetz vorgesehen ist: die Einholung einer richterlichen Genehmigung bei freiheitsbeschränkenden Maßnahmen. Der Bundesgerichtshof hatte 2013 entschieden, dass eine entsprechende Anwendung des für Erwachsene geltenden Rechtes auf Kinder nicht möglich ist.

Daher hängt es nun am Gesetzgeber, dies zu ändern. Wir schlagen einen neuen § 1631c BGB vor, um eine gerichtliche Genehmigungspflicht für freiheitsbeschränkende Maßnahmen bei Minderjährigen einzuführen. Kinder müssen mindestens den gleichen Schutz erhalten wie Erwachsene.

Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir auch die Eltern stärken. Sie werden offenbar nicht selten von Einrichtungen aufgefordert, eine Vollmacht für freiheitsbeschränkende Maßnahmen zu erteilen, bevor sie einen Heimplatz bekommen. Das setzt viele Mütter und Väter massiv unter Druck, weil sie aufgrund mangelnder ambulanter Unterstützung darauf angewiesen sind, ihr Kind in einem Heim unterzubringen. Die richterliche Genehmigung soll daher neben das Erfordernis der Zustimmung der Eltern treten, nicht diese ersetzen.

Hintergrund:
Ein Rechercheteam des Bayerischen Rundfunks und der Zeit hatte im Frühjahr aufgedeckt, dass Kinder und Jugendliche mit geistigen Behinderungen in vielen heilpädagogischen Einrichtungen häufig sogenannten freiheitsbeschränkenden Maßnahmen (Fixierung, Zimmereinschlüsse etc.) ausgesetzt sind. Dafür ist die Zustimmung der Sorgeberechtigten ausreichend. Diese stehen dabei oft ziemlich unter Druck bzw. in einem Interessenskonflikt, da eine Einrichtungen „verlangen“, dass Eltern vorsorglich und pauschal ihre Einwilligung zu solchen freiheitsbeschränkenden Maßnahmen erteilen.
Lediglich eine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung von Minderjährigen in einer geschlossenen Einrichtung muss laut § 1631b BGB von einem Familiengericht genehmigt werden.