Digitale Barrierefreiheit: Bundesregierung schafft nicht mal „Dienst nach Vorschrift“

[14.06.2018]  Pressemitteilung

Zum Gesetzentwurf zur digitalen Barrierefreiheit (Bt.-Drs. 19/2072), der heute im Bundestag verabschiedet werden soll, erklärt Corinna Rüffer, Sprecherin für Behindertenpolitik der Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Im Schweinsgalopp und mit unzureichender Beteiligung von behindertenpolitischen Verbänden hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf durch das parlamentarische Verfahren geprügelt. Damit hat sie die Chance verpasst, die zugrundeliegende EU-Richtlinie in ein gutes und zukunftsweisendes Gesetz zu gießen.

Deutschland gilt als Land der Innovation und hätte hier ein Zeichen für umfassende digitale Barrierefreiheit setzen können. Stattdessen hat die Bundesregierung nur die Minimalanforderung der EU-Richtlinie umgesetzt, so dass der Gesetzentwurf nur öffentliche Stellen betrifft. Doch selbst für diese eröffnet der Gesetzentwurf Hintertüren, die es ermöglichen, die Verpflichtung zur Barrierefreiheit zu umgehen. Zudem sind die Durchsetzungsmöglichkeiten viel zu schwach, beispielsweise bleibt das Schlichtungsverfahren für öffentliche Stellen weiterhin freiwillig.

Zudem wurde im Gesetzgebungsverfahren der Leitsatz behinderter Menschen „Nichts über uns, ohne uns!“ erneut mit Füßen getreten: Ihre Verbände hatten nur eine Woche Zeit, um zum ersten Entwurf Stellung zu beziehen. Das ist ein Witz angesichts der komplizierten rechtlichen Fragen, die damit zusammenhängen.

Erst am Montag fand die Anhörung von Expertinnen und Experten im Bundestagsausschuss Arbeit und Soziales statt. Dabei hagelte es von allen Seiten harte Kritik, aber es gab auch konstruktive Verbesserungsvorschläge. Doch die Große Koalition hat daraus nicht mehr gemacht als halbherzige Änderungsvorschläge.

Dabei gibt es noch so viel zu tun: Von einer umfassenden Barrierefreiheit werden wir erst sprechen können, wenn auch die Privatwirtschaft zur Herstellung von Barrierefreiheit verpflichtet wird – wie es unser Entschließungsantrag vorsieht (Bt.-Drs. 19/2733).

 

Hintergrund:
Eine ordentliche erste Beratung des Gesetzentwurfs im Ausschuss für Arbeit und Soziales hat es aus organisatorischen Gründen nicht gegeben. Es gab auch keine reguläre erste Lesung im Plenum des Bundestags, da sie in die Haushaltswoche gelegt wurde. Nun soll alles Schlag auf Schlag gehen: Auf die Anhörung am Montag, der Vorlage von Änderungsanträgen am Dienstag mit anschließender Ausschussberatung am gestrigen Mittwochmorgen, soll das Gesetz am heutigen Donnerstag in zweiter und dritter Lesung vom Bundestag verabschiedet werden.

Weitere Informationen dazu: » Meine Rede zur Beratung des Gesetzentwurf digitale Barrierefreiheit