Pflegestärkungsgesetz löst zentrale Probleme nicht

[25.09.2015]  Pressemitteilung

Zur heutigen Bundestagsdebatte über den Regierungsentwurf für das zweite Pflegestärkungsgesetz erklärt Corinna Rüffer, Sprecherin für Behindertenpolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen:

Endlich, nach zehn Jahren Debatte, wird ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt. Ein Grund zu Euphorie ist das leider nicht, denn der Gesetzesentwurf der Koalition packt zentrale Probleme in der Pflege nicht an.

Seit Einführung der Pflegeversicherung 1995 wird kritisiert, dass der Pflegebedürftigkeitsbegriff nicht teilhabeorientiert ist. In der Behindertenhilfe sind Partizipation und Teilhabe spätestens seit Einführung des SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) Leitgedanken. Davon könnte die Pflege, die immer noch zu sehr der Stoppuhr folgt, enorm profitieren. Doch statt diese Erfahrungen aufzunehmen, ignoriert der Gesetzentwurf die Schnittstelle zur Behindertenpolitik in jeder Hinsicht.

Das lässt auch mit Blick auf das Bundesteilhabegesetz nichts Gutes erahnen: Es ist nicht damit zu rechnen, dass die unterschiedlichen Regelungen in der Pflegeversicherung (SGB XI) mit den Leistungen für Menschen mit Behinderungen (SGB IX: Rehabilitation und Teilhabe, SGB XII: Eingliederungshilfe) harmonisiert werden.

Dabei wäre das dringend nötig, um Ungleichbehandlungen zu beenden. So sind z.B. pflegebedürftige Menschen, die in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe leben, leistungsrechtlich schlechter gestellt als andere pflegebedürftigen Menschen. Für sie übernimmt die Pflegeversicherung 10 Prozent des Heimentgelts bis maximal 266 Euro im Monat (§ 43a SGB XI). Den restlichen, weitaus größeren Betrag zahlt der Sozialhilfeträger – mit spürbaren Folgen für die kommunalen Haushalte. Für Pflegebedürftige in einer Pflegeeinrichtung zahlt die Pflegekasse dagegen zurzeit bis zu 1.995 Euro im Monat. Behinderte Menschen müssen ebenso wie alle anderen Anspruch auf volle Leistungen aus der Pflegeversicherung haben.