Der Gesetzentwurf zum Bundesteilhabegesetz, den die Bundesregierung heute vorlegt, ist eine Unverschämtheit. Über Jahre wurde ausgiebig mit Menschen mit Behinderungen und ihren Verbänden beraten. Jetzt zeigt sich: Die Bundesregierung hat all die Jahre nicht zugehört und noch dazu ein schlechtes Gesetz gemacht.
Ganz zu Recht steht die Sorge im Raum, dass Menschen, die dringend Leistungen brauchen, sie nicht mehr bekommen werden. Doch nicht nur, dass dieses Gesetz Menschen den Zugang zu Leistungen verwehren würden. Es betreibt auch Raubbau an den Leistungen selbst. Künftig wird es sehr viel leichter sein, Menschen ins Heim abzuschieben, weil es billiger ist. Wir werden junge Menschen mit Behinderungen haben, die in Altenpflegeheimen wohnen müssen. Um Geld zu sparen, verletzt die Bundesregierung die Menschenrechte behinderter Menschen.
Vor etwas mehr als einem Jahr haben die Vereinten Nationen sehr deutliche Worte gefunden, was die Situation behinderter Menschen in Deutschland angeht. Sie wiesen unter anderem darauf hin, dass es zu viele Wohnheime gibt und zu wenige Alternativen. Verbunden war die Kritik mit der unmissverständlichen Aufforderung, ausreichende Finanzmittel verfügbar zu machen, um die unabhängige Lebensführung zu fördern. Union und SPD machen mit ihrem Gesetz das Gegenteil.
Wir stehen vor einer großen Aufgabe. Eine inklusive Gesellschaft entsteht nicht von heute auf morgen und erst recht nicht von selbst. Es ist aber keine Frage, dass wir sie brauchen, denn es geht dabei ja nicht nur um Menschen mit Behinderungen. Die Menschen in Deutschland werden immer älter. Das heißt auch, dass immer mehr Menschen Unterstützung benötigen werden, ganz einfach, weil viele Beeinträchtigungen erst später im Leben eintreten. Wir müssen unsere Gesellschaft also so gestalten, dass alle teilhaben können. Fast alle Menschen möchten in der eigenen Wohnung alt werden. Wer einen Unfall hatte und daher plötzlich im Rollstuhl sitzt, möchte weiter am gesellschaftlichen Leben teilhaben, auch wenn dafür Unterstützung notwendig ist. Und wer ein behindertes Kind bekommt, möchte, dass auch dieses Kind gute Bildungschancen hat und später einen Arbeitsplatz findet, der den eigenen Interessen entspricht. Das sind nicht nur nachvollziehbare Wünsche, die Menschen haben ein Recht darauf. Es ist unser Auftrag, das möglich zu machen.
Doch die Koalition legt ein Gesetz vor, dass darauf zielt, möglichst viel Geld zu sparen. Das ist nicht nur jämmerlich, es schadet unserer Gesellschaft. Dieses Gesetz darf nicht so beschlossen werden, wie es uns vorliegt.
- Zum Lesen: Rede von Corinna Rüffer zur ersten Beratung des Bundesteilhabegesetzes (Pdf-Datei)