Wollen wir eine Gesellschaft, in der das Recht auf ein „gesundes Kind“ gilt?

[24.04.2024]  Rede
Corinna Rüffer am Rednerpult
© Deutscher Bundestag/Achim Melde

Die interfraktionelle Gruppe Pränataldiagnostik im Bundestag arbeitet seit Jahren daran, eine gesellschaftliche Debatte darüber zu entfesseln, wie wir in Zukunft mit den Möglichkeiten der Pränataldiagnostik umgehen wollen. Es geht dabei um die grundsätzliche Frage: Wünschen wir uns wirklich eine Gesellschaft, in der wir Menschen mit Behinderungen vermeiden und das „Recht“ auf ein „gesundes Kind“ gilt?

In der Vergangenheit wurde oftmals argumentiert, dass der kostenlose Zugang zum vorgeburtlichen Bluttest auf Trisomien (NIPT) eine Frage sozialer Gerechtigkeit sei. Manche stellten diese Diskussion in den Kontext des § 218. Ich halte beides für grundfalsch. Wir reden hier in aller Regel über Schwangere, die sich ein Kind wünschen. Und wir reden über einen Test, der keinen medizinischen Nutzen hat, an den keine Therapien geknüpft sind, weil wir über genetische Besonderheiten reden und eben nicht darüber, dass es um eine Heilung geht.

Der NIPT wurde mit dem Argument auf den Markt gebracht, er sei risikoärmer als die Amniozentese oder Plazentauntersuchung. Nun deutet einiges darauf hin, dass sich deren Zahl sogar erhöht hat. Der Bluttest wird längst nicht nur in begründeten Einzelfällen angewendet, sondern entwickelt sich – wie befürchtet – zur Reihenuntersuchung. Bei 30 Prozent aller Geburten wurde in der Vergangenheit so ein Test durchgeführt. Dabei zeigt er gerade bei jungen Frauen eine besorgniserregend hohe Rate von falsch-positiven Ergebnissen: Bei einer 20-jährigen schwangeren jungen Frau beispielsweise liegt die Wahrscheinlichkeit bei 52 Prozent, dass ein positives Ergebnis falsch ist. Darüber sollten wir mal nachdenken.

Auf allen möglichen Ebenen wirft dieser Test Fragen auf, die wir noch nicht beantworten können, für die wir eine fundierte Grundlage brauchen, damit wir überhaupt wissen, worüber wir reden. Wir müssen uns endlich diesen Fragen zuwenden – und dafür brauchen wir dringend die Ergebnisse des Monitorings.

Aber für viele Menschen in dieser Gesellschaft geht es um noch viel mehr. Es geht um die existenzielle Frage: Sind wir als behinderte Menschen in dieser Gesellschaft erwünscht?

Video meiner Rede (mit Untertiteln): youtube.com

Meine Rede zum Lesen

Antrag „Kassenzulassung des nicht-invasiven Pränataltests – Monitoring der Konsequenzen und Einrichtung eines Gremiums“ (Drs 20/10515, vom 28.02.2024)