Umsetzung der Behindertenrechtskonvention mangelhaft

[30.04.2015] 
Deutsche Delegation bei der Staatenprüfung Deutschlands in Genf
© Theresa Niederle

Ende März musste die Bundesregierung erstmals vor den Vereinten Nationen Rechenschaft darüber ablegen, ob sie die UN-Behindertenrechtskonvention hinreichend umgesetzt hat. Die Antworteten der deutschen Delegation, als deren Gast ich ebenfalls in Genf war, waren oft sehr lückenhaft – und die Kritik der UN deutlich.

Die Mitglieder des UN-Fachausschusses für die Rechte der Menschen mit Behinderungen stellten der Delegation der Bundesregierung viele kritische Fragen zur Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Intensiv diskutiert wurde beispielsweise, dass diejenigen kein Wahlrecht haben, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben oder im Rahmen des Strafvollzugs in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. Die Praxis von Zwangsunterbringung und -behandlung in der Psychiatrie sowie das System der rechtlichen Betreuung wurde mehrfach hinterfragt. Sehr kritisch bewerteten die UN-Fachleute die hohe Zahl von 300.000 Menschen mit Behinderung, die in Werkstätten arbeiten und von denen nicht einmal ein Prozent auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen können. Sorgen bereitete auch die mangelhafte Inklusion im Bildungsbereich: Solange zwei Drittel der Schülerinnen und Schülern mit Behinderung in Förderschulen lernten, sei das Recht auf gleichwertige Bildung gemäß der UN-BRK nicht verwirklicht.

Viele Antworten der deutschen Delegation waren lückenhaft und beschränkten sich darauf, bekannte Informationen zu wiederholen und Schwierigkeiten wegzudiskutieren. Andere Erklärungen führten zu Stirnrunzeln bei den UN-Ausschussmitgliedern, beispielsweise als zum Wahlrechtsausschluss sinngemäß gesagt wurde: „Ein Wachkomapatient darf ja auch nicht Pilot werden“. Anscheinend ist der Bundesregierung nicht klar, dass die Behindertenrechtskonvention sie verpflichtet, Probleme zu lösen.

Kein Wunder, dass der UN-Fachausschuss in seinen „Abschließenden Bemerkungen und Empfehlungen“ Deutschland ein sehr mangelhaftes Zeugnis ausstellt: Der Menschenrechtsansatz der Konvention sei in vielen Bereichen weder verstanden noch umgesetzt worden und auch in den meisten Gesetzen nicht sichtbar.