Zaudern und Zögern

[08.04.2014]  Anfrage

Aus der Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage „Armut durch Eingliederungshilfe“ spricht vor allem eines: Unkenntnis, Zaudern und Zögern. Mit der Ankündigung des Koalitionsvertrages, Menschen mit Behinderungen aus der Sozialhilfe herauszuholen, hat das nichts zu tun.

Man wolle den „Anspruch auf Teilhabe umfassend umsetzen“ und das Bedürftigkeitsprinzip abschaffen, das versprach die SPD vollmundig letzten Freitag in der Bundestagsdebatte zum fünften Jahrestag des Inkrafttretens der UN-Behindertenrechtskonvention. Würde die Bundesregierung dieses Ziel tatsächlich konsequent verfolgen, wäre der Weg klar: Unterstützungsleistungen, die Menschen mit Behinderungen Teilhabe ermöglichen, müssten ohne jegliche Prüfung der wirtschaftlichen Situation der Antragsstellerinnen und Antragssteller gewährt werden. Doch die Antwort auf unsere Kleine Anfrage „Armut durch Eingliederungshilfe“ spricht eine andere Sprache:

Die Bundesregierung findet es grundsätzlich richtig, dass Menschen mit Behinderungen ihren Teilhabebedarf zunächst aus eigenem Einkommen und Vermögen decken. Auch Ehe- bzw. Lebens- sowie nichteheliche PartnerInnen sollen große Teile ihrer Mittel dafür aufbringen müssen. Lediglich „die Art und Weise“ des Einsatzes von Einkommen und Vermögen werden im Rahmen der Erarbeitung eines Bundesteilhabegesetzes „wichtige Diskussionspunkte“ sein.

Unproblematisch ist für die Bundesregierung auch, dass der Vermögensfreibetrag von Menschen mit Behinderung, die meist ihr ganzes Leben auf Unterstützungsleistungen angewiesen sind, mit 2.600 Euro deutlich niedriger ist als die ohnehin schon geringen Vermögensfreigrenzen bei Alg-ll-Bezug. Dieser Freibetrag wurde in den letzten Jahren nicht einmal an die Inflationsrate angepasst, sonst müsste er immerhin fast 3.000 Euro betragen.

In ihrer Antwort verweist die Bundesregierung mehrfach darauf, dass die Sozialhilfeträger den Betroffenen in Einzel- oder Härtefallen großzügigere Freibeträge zugestehen könnten. Doch das ist nichts anderes als ein „Gnadenrecht“ – und mit der Gleichstellung behinderter Menschen sowie der Idee einer inklusiven Gesellschaft nicht vereinbar. Zudem ignoriert die Bundesregierung, dass viele Sozialhilfeträger von den zuständigen Landesrechnungshöfen gedrängt werden, derartige Ermessensspielräume grundsätzlich restriktiv zu handhaben.

Beinahe rührend weltfremd beantwortet die Bundesregierung die Frage, ob die Aussicht auf ein Leben am Rande des Existenzminimums potenzielle Ehe- und LebenspartnerInnen abschrecke: Die Befürchtung teilt sie nicht, denn „bei einer Partnerschaft spielen in unserer Gesellschaft primär persönliche Aspekte eine Rolle.“ Das mag so sein. Aber wenn Partnerschaft zu Armut führt, ist das zu viel verlangt.

Insgesamt möchte sich die Bundesregierung in ihrer Antwort nicht darauf festlegen, die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung konsequent sicherzustellen. Hoffen wir, dass die SPD-Abgeordneten mehr wussten, als sie im Bundestag behaupteten, diese Regierung würde Teilhabeleistungen künftig anrechnungsfrei gestalten.