Behinderte Menschen sind während der Covid-19-Pandemie sowohl gesundheitlich als auch sozial höheren Risiken ausgesetzt. Wesentlich verantwortlich dafür ist, dass sie häufig auf engem Raum mit vielen ähnlich Betroffenen in Einrichtungen leben, lernen und arbeiten, die wenig Selbstbestimmung zulassen.
Menschen, die in Alten- und Pflegeheimen sowie Wohnheimen für behinderte Menschen leben, sind deutlich gefährdeter und erkranken häufiger. Neben der erheblich stärkeren Ansteckungsgefahr waren behinderte Menschen in Wohn- und Pflegeeinrichtungen während der Covid-19-Pandemie auch deutlich härter von den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie betroffen.
Auch im Arbeitsbereich hat die Corona-Pandemie für behinderte Menschen besondere Nachteile. Die Angebote für große Gruppen von behinderten Menschen, die einst geschaffen wurden, um Menschen mit Behinderung im Arbeitsbereich zu fördern, schaden ihnen zurzeit noch mehr als sonst. Die meisten Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) wurden aufgrund der Pandemie geschlossen. Sie kehren zwar langsam zum Normalbetrieb zurück, jedoch wird der Lohn vieler behinderter Beschäftigter gekürzt, weil Aufträge ausbleiben.
Auch Schüler*innen mit Behinderung und ihre Familien sind besonders von den Folgen der Covid-19-Pandemie betroffen. Es fällt nicht nur der Schulalltag weg, auch Unterstützungsmaßnahmen wie Therapie- oder Pflegeangebote finden nicht mehr statt. Von der schrittweisen Öffnung der Schulen sind viele Kinder mit Behinderungen zudem ausgeschlossen: Förderschulen bleiben geschlossen, Kinder mit Behinderungen dürfen nicht zum Unterricht kommen oder werden separat unterrichtet.
Mit unserem Antrag „Lehren aus der Covid-19-Pandemie ziehen – den Weg zu einer inklusiven Gesellschaft einschlagen“ fordern wir die Bundesregierung auf, Konsequenzen aus den jetzt nicht mehr zu leugnenden Schwächen des Unterstützungssystems für behinderte Menschen zu ziehen und die Voraussetzungen für dessen Umgestaltung zu schaffen. Die Unterstützung muss sich endlich an den behinderten Menschen orientieren und von ihnen selbstbestimmt ausgewählt und gestaltet werden.
Ein grundlegender Wandel ist nötig. Wir müssen deutlich mehr gemeinde- bzw. quartiersintegrierte Unterstützungsangebote für behinderte Menschen schaffen und erheblich mehr barrierefreie Wohnungen bauen. Darüber hinaus sollen langfristig möglichst alle WfbM-Beschäftigten sozialversichert auf einem inklusiven allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten und dort die benötigte Unterstützung bekommen. Außerdem brauchen wir ein inklusives Schulsystem, in dem alle Kinder gleichberechtigt lernen können.
Antrag: „Lehren aus der Covid-19-Pandemie ziehen – den Weg zu einer inklusiven Gesellschaft einschlagen“, Bundestags-Drucksache 19/20593, 30.06.2020