Ende August wurde Deutschland zwei Tage lang vom UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen geprüft, wie es um die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention steht. Gemeinsam mit meiner Fraktionskollegin Stephanie Aeffner habe ich daran teilgenommen.
Im Vorfeld des Prüfverfahrens hatte der Ausschuss Deutschland eine Liste mit Fragen zukommen lassen (List of Issues Prior to Reporting – LOIPR). Die Antworten darauf bilden den sogenannten „Staatenbericht“, der in der öffentlichen Anhörung („konstruktiver Dialog“) zwischen UN-Ausschuss und Regierungsdelegation am 29./30. August in Genf behandelt wurde.
Neben Vertreter*innen der Bundesregierung standen bei der Anhörung auch Vertreter*innen der Landesregierungen dem UN-Ausschuss Rede und Antwort. Wichtige und fundierte Beiträge lieferten die „Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention“ des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR) sowie der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung Jürgen Dusel. Von außerordentlicher Bedeutung für den Verlauf der Anhörung erwies sich auch der Parallelbericht „Menschenrechte jetzt!“, den 39 zivilgesellschaftliche Verbände und Selbstvertretungsorganisationen von Menschen mit Behinderungen erarbeitet hatten. Dieser Bericht bewertet und kommentiert den Staatenbericht der Bundesregierung.
Bei der Befragung Deutschlands traten Mängel zutage, die bereits bei der Staatenanhörung 2015 im Fokus standen: Deutschland bleibt Weltmeister bei der Aufrechterhaltung von „Sonderwelten“, wodurch behinderten Menschen systematisch die gesellschaftliche Teilhabe verweigert wird. Besonders in den Bereichen Arbeit, Bildung und Wohnen müssen exkludierende Strukturen und Segregation nachhaltig beseitigt werden. Zum Bereich Gesundheit mahnte der UN-Fachausschuss strengstens an, dass noch viel zu oft das medizinische Modell von Behinderung Anwendung finde und kein gleichberechtigter und barrierefreier Zugang zum Gesundheitssystem gewährleistet sei.
Die Staatenprüfung hat deutlich gemacht, dass Deutschland vierzehn Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention (2009) noch längst nicht auf der Zielgeraden bei der Umsetzung angelangt ist. Nachdem es in den ersten Jahren erheblichen Schwung gegeben hat, sind wir in den vergangenen Jahren an vielen Stellen stecken geblieben und in bestimmten Bereichen sogar in den Rückwärtsgang geraten.
Der deutliche Protest von Familien mit behinderten Kindern, die ernsthafte schulische Inklusion einforderten und die Anhörung mit einer Mahnwache direkt vor dem UN-Gebäude begleiteten, belegt das. An der Gruppe kam kein Delegationsmitglied vorbei und es ist vor allem ihnen zu verdanken, dass es zur Staatenprüfung eine breite Berichterstattung in Deutschland gab. Menschen zu verdanken. Es bleibt zu hoffen, dass ihre berechtigte Anklage verweigerter Inklusion zu politischem Handeln führt und die Bundesregierung sich nicht weiterhin mit Verweis auf den Föderalismus aus der Verantwortung stiehlt. Denn Art. 24 UN-BRK garantiert jedem (!) Kind ein Recht auf inklusive Bildung.
Direkt im Anschluss an die Anhörung formulierte der UN-Ausschuss in den „Abschließenden Bemerkungen“ (Concluding Observations) seine wichtigsten Kritikpunkte und Handlungsempfehlungen für die Zukunft. Das wenig erfreuliche Fazit: Deutschland erfüllt die menschenrechtlichen Vorgaben der UN-BRK weder rechtlich noch tatsächlich. Bund, Länder und Kommunen brauchen einen viel konsequenteren Fokus auf Inklusion und Selbstbestimmung.