Betreuungsrechts-Reform: Ein paar Verbesserungen, gravierende Mängel bleiben

[05.03.2021]  Antrag

Das deutsche Betreuungsrecht ist nicht mit der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) vereinbar – so lautete 2015 die deutliche Kritik des UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Der aktuelle Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts bringt zwar einige Verbesserungen, weil die Betreuung nun stärker am Willen und den Wünschen der betreuten Person orientiert werden soll. Aber im Kern entspricht er immer noch nicht den Menschenrechtsvorgaben der UN-BRK.

Dafür wäre es nötig, das Selbstbestimmungsrecht weiter zu stärken und klarzustellen, dass eine Betreuung gegen den Willen einer Person vermieden werden muss. Nach wie vor haben Betroffene kein wirkliches Wunsch- und Wahlrecht, weil der Betreuer „geeignet“ sein muss. Das eröffnet einen großen Spielraum, um Personen als Betreuer*in abzulehnen, die sich der Betroffene eigentlich wünscht. Auch die Forderung der UN-BRK, die ersetzende Entscheidung durch eine unterstützte Entscheidungsfindung abzulösen (Art. 12), wird nur unzureichend umgesetzt.

Vor allem bleibt das große Problem der „vermeidbaren Betreuungen“ unangetastet: Sehr viele rechtliche Betreuungen werden nur deshalb von Gerichten angeordnet -und damit tief in die Grundrechte der betroffenen Menschen eingegriffen-, weil sie bei der Beantragung und Durchsetzung ihrer Sozialleistungsansprüche (z.B. Sozialhilfe) von den zuständigen Behörden nicht ausreichend unterstützt werden. Um das zu verhindern, ist dringend eine Reform des Sozialleistungsrechts nötig.

In unserem Entschließungsantrag zum Gesetzentwurf fordern wir deshalb u.a.:

  • Eine Betreuung gegen den Willen der betroffenen Personen muss vermieden werden.
  • Das Instrument der „erweiterten Unterstützung“ (im Vorfeld bzw. zur Vermeidung einer rechtlichen Betreuung) soll als Regelfall eingeführt werden.
  • Die Hürde dafür, dass Gerichte eine Betreuerin bzw. einen Betreuer ablehnen können, sollte erhöht werden auf Fälle der offensichtlichen Ungeeignetheit.
  • Die Überprüfungsfristen zur Anordnung einer Betreuung sollen weiter verkürzt werden.
  • Die betreuten Personen müssen das Recht auf ein Kennenlerngespräch haben.
  • Die Entscheidung über die Anwendung von Zwangsmaßnahmen, wie medikamentöse Behandlung oder Unterbringung, werden grundsätzlich aus dem Aufgabenkreis der Betreuer*innen gestrichen.
  • Die Praxis der Zwangssterilisation muss abgeschafft werden.
  • Weitere Schritte sind zu prüfen, wie Barrieren beim Zugang zu den Sozialleistungssystemen abgebaut werden können, um unnötige Betreuungen zu vermeiden.

Entschließungsantrag zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, Bundestags-Drucksache 19/27293, 03.03.2021