Persönliche Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur Abstimmung über den Antrag der Bundesregierung „Ausbildungsunterstützung der Sicherheitskräfte der Regierung der Region Kurdistan-Irak und der irakischen Streitkräfte“ (Bundestags-Drucksache 18/3561):
Der Bundeswehreinsatz im Norden des Irak ist nicht nur völkerrechts- und verfassungswidrig, sondern auch strategisch verfehlt und politisch kurzsichtig. Die politischen und die rechtlichen Fragen stehen dabei nicht etwa beliebig nebeneinander. Die Rechtmäßigkeit ist eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für einen bewaffneten Einsatz. Ein Einsatz der gegen Verfassungsrecht oder Völkerrecht verstößt, kann noch so sehr politisch gewollt oder praktisch sein – er ist aus guten Gründen nicht erlaubt. (Abgesehen davon, dass die Entscheidung gegen Waffenlieferungen nicht dadurch anders ausfallen kann, wenn man die Ausbilder für die Waffen mitliefert.).
Es war kein Zufall, dass die Völkergemeinschaft nach der Erfahrung zweier Weltkriege das Monopol zum Einsatz von Gewalt auf die UNO übertragen hat. Es war auch kein Zufall oder gar Unwissenheit, dass die Wehrverfassung und die Friedenspflicht in unserem Grundgesetz so gefasst sind, wie sie sind. Es war die Weisheit derjenigen, die den Krieg noch erlebt haben.
Jedes staatliche Handeln, insbesondere die Ausübung von Gewalt erfolgt in einen Rechtsstaat mit einer Rechtsgrundlage – das gilt im Inneren wie nach außen. Der rechtliche Rahmen ermöglicht politisch legitimierte Entscheidungen – er setzt diesen aber ebenfalls Grenzen: Das ist der Kern jeder Rechtsstaatlichkeit. Wir retten Menschenleben nicht, indem wir aus Hilflosigkeit heraus militärisch agieren, um uns selbst zu beruhigen in Anbetracht unerträglicher Gewalt.
Zum Grundgesetz:
Art 24 II GG lautet: „Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen.“
Dieser Satz wird vom Verfassungsgericht als Einsatzermächtigung für eine Verwendung der Streitkräfte zu Einsätzen ausgelegt, die im Rahmen und nach den Regeln der UNO und der NATO als Systeme gegenseitiger kollektiver Sicherheit stattfinden. Nur unter diesen Voraussetzungen sind auch nicht der Selbstverteidigung dienende Einsätze verfassungsgemäß.
Dabei ist das Verfassungsgericht 1994 schon sehr weit gegangen, die NATO als System kollektiver Sicherheit zu betrachten, obwohl ein Verteidigungsbündnis eigentlich eher das Gegenteil desselben ist. Jetzt aber soll die Bundeswehr als Teil einer Koalition der Willigen agieren – außerhalb jedes Systems. Damit werden die Anforderungen des Art. 24 GG endgültig ignoriert. Selbst wenn es also eine völkerrechtliche Grundlage gäbe, würde es hier an einem System kollektiver Sicherheit fehlen und damit an den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen. Es versteht sich von selbst, dass ein verfassungswidriges Mandat abzulehnen ist.
Zum Völkerrecht:
Die Bundesregierung leitet die völkerrechtliche Grundlage daraus her, dass die irakische Regierung „umfassende Hilfe“ im Kampf gegen die Terrormiliz IS erbeten habe. Das funktioniert jedoch nicht, weil der Irak selbst gerade keine Unterstützung für die kurdischen Kämpfer in der autonomen Region leistet, obwohl er eigentlich vertraglich dazu verpflichtet wäre. Der Irak liefert weder Waffen an die Kurden, noch bildet er deren Kämpfer aus. Das Hilfeersuchen kann daher nur so verstanden werden, dass es sich auf die eigenen staatlichen Streitkräfte des Irak bezieht.
Bleibt noch die Tatsache, dass der Irak bislang nicht gegen die Unterstützung der Kurden protestiert. Das ist aber bei der eigenen Notlage, in der er sich befindet, nachvollziehbar, da er selbst auf Unterstützung angewiesen ist. Das reicht nicht, um daraus eine Einladung zur Unterstützung kurdischer Kämpfer abzuleiten. Wenn der Irak dies wollte, könnte er eine solche Einladung ausdrücklich aussprechen. Um zu verhindern, dass deutsche Truppen Gefahr laufen, in einen innerirakischen Konflikt hineingezogen zu werden, hätte die Bundesregierung auch auf eine solche Klarstellung dringen müssen. Es ist zu befürchten, dass die fehlende Klarstellung kein Zufall ist.
Es gibt vielmehr ein eigenes schriftliches Hilfeersuchen der kurdischen Autonomieregierung an die deutsche Bundesregierung. Dieses Schreiben belegt allein schon durch seine Existenz, dass Bagdad und Erbil sich offensichtlich nicht darüber einig sind, wer im Nordirak das Hoheitsrecht hat, fremde Truppen einzuladen. Hier muss sich die internationale Gemeinschaft entscheiden: Solange sie aus anderweitigen Gründen kein unabhängiges Kurdistan anerkennen will, kann sie auf diesem Gebiet nicht militärisch intervenieren.
Besonders traurig aus grüner Sicht ist die Tatsache, dass man nicht einmal ernsthaft versucht, ein UN-Mandat zu erlangen, obwohl Russland hier (anders als bei Syrien) durchaus schon mal eine gewisse Bereitschaft signalisiert hatte. Der mangelnde Einsatz für ein UN-Mandat zeigt außerdem eine Geringschätzung von UNO und Völkerrecht, der wir als Grüne auf keinen Fall entgegen kommen dürfen.
Deutschland kann die UNO international stärken, indem es gegenüber den Bündnispartnern deutlich macht, dass ohne Mandat nichts geht. Das wäre eine Position, die Verantwortung übernimmt und gleichzeitig deutsche Interessen wahrt.