CETA: Die Bedenken bleiben

[01.12.2022]  Erklärung

Persönliche Erklärung nach §31 der Geschäftsordnung zum „Gesetz zu dem Umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits vom 30. Oktober 2016“ (Bt.-Drs. 20/3443)

Das Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) zwischen der Europäischen Union und Canada ist von uns Grünen über viele Jahre hinweg kritisch begleitet und abgelehnt worden. Viele von uns haben 2016 zusammen mit rund 200.000 Anderen gegen die transatlantischen Handelsabkommen TTIP und CETA in Berlin demonstriert. Auf der Bundesdelegiertenkonferenz im November 2016 haben wir Grüne einen Beschluss gegen CETA gefasst („Neustart für Fairen Handel“). Hauptgründe waren Handelserleichterungen für genmanipulierte Nahrungsmittel und die Sorge vor nachteiligen Auswirkungen auf Ökologie und Landwirtschaft.
Der größte Kritikpunkt waren jedoch die privaten Schiedsgerichte, mit denen Konzerne Sonderklagerechte gegen Staaten erhalten. Mit diesen Sonderklagerechten besteht die Möglichkeit für Konzerne, Staaten zum Beispiel wegen nicht-realisierter Gewinnerwartungen etwa durch staatliche Klimaschutzmaßnahmen zu verklagen. Mit diesen Klagemöglichkeiten kann CETA Bestrebungen zu Umwelt- und Klimaschutz konterkarieren und für Staaten zudem hohe Strafzahlungen verursachen – eine Möglichkeit, die unseren politischen Vorstellungen vollständig zuwider läuft.

Die Bundesregierung hat parallel zum Ratifikationsgesetzgebungsverfahren in Gesprächen auf EU-Ebene und im Einklang mit der institutionellen Rolle der EU-Kommission mit der kanadischen Regierung die Verabschiedung einer Interpretationserklärung des Gemeinsamen CETA-Ausschusses auf den Weg gebracht, um das Risiko der missbräuchlichen Anwendung der materiell-rechtlichen Schutzstandards im Bereich Investitionsschutz und bei der regulatorischen Kooperation zu begrenzen. Dies begrüßen wir ausdrücklich.

Die Interpretationserklärung beschränkt den Spielraum für Schiedsgerichte bei der Auslegung der Tatbestände der indirekten Enteignung und von „fair and equitable treatment“ (FET). Auch die Ausrichtung der Handelspolitik am Pariser Klimavertrag findet sich in der Interpretationserklärung wieder. Es wird ausdrücklich betont, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Folgen ergreifen werden und dass Schiedsgerichte die Verpflichtungen der Vertragsparteien aus dem Pariser Abkommen berücksichtigen müssen.

Mit dieser Interpretationserklärung wird die Möglichkeit, wegen einer indirekten Enteignung Schadensersatzansprüche geltend zu machen, deutlich eingeschränkt und erschwert. Die Möglichkeit wird jedoch nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen. Aus diesem Grund stimmen wir CETA nur mit großen Bedenken zu, da wir weiterhin die Gefahr sehen, dass durch CETA Schaden für Umwelt und Klima sowie finanzieller Schaden für Deutschland entsteht.

Für eine Annahme des vorliegenden Entschließungsantrags sprechen für uns, dass:

  1. der Einfluss des Bundestages auf den Vollzug und die Fortentwicklung von CETA bei Sachbereichen in mitgliedstaatlicher Zuständigkeit umfassend gewahrt wird
  2. es durch Beschlüsse des Gemischten Ausschusses gemäß Art. 30.2 Abs. 2 CETA zu keiner Ergänzung oder Änderung des institutionellen Rahmens des Abkommens kommt.
  3. zeitgleich mit der Ratifizierung von CETA ein Austritt aus dem Energie-Charta-Vertrag (ECT) beschlossen wird, der beispielsweise Grundlage war für die Klagen gegen den Deutschen Atomausstieg und den Niederländischen Kohleausstieg,
  4. die sogenannte Review-Klausel in Kraft tritt, um weitergehende Nachhaltigkeitskapitel zu verhandeln
  5. für zukünftige Handelsverträge auf europäischer Ebene, auch für die, die die derzeit bereits verhandelt werden, Standards aus internationalen Verträgen und Abkommen sanktionsbewehrt verankert und insgesamt effektiv durchgesetzt werden, was für die Handelsvorteile und -freiheiten ebenso gilt wie für die vereinbarten Nachhaltigkeitsstandards.
  6. bei allen Investitionsschutzabkommen das staatliche Regulierungsrecht „right to regulate“ gestärkt werden soll und Investitionsabkommen sich auf den Schutz vor „direkter Enteignung“ und auf „Inländergleichbehandlung“ konzentrieren sollen.

Wir hätten einen Handelsvertrag ohne Schiedsgerichte gewünscht und einen solchen auch für möglich gehalten – werden dem vorliegenden Gesetz aber mit den zum Ausdruck gebrachten Sorgen zustimmen.