Bürgerbeteiligung: Politische Teilhabe nur für Privilegierte?

[22.12.2014]  Artikel

Ganz gleich wohin man schaut: Bürgerbeteiligung gilt als das Mittel, um die repräsentative Demokratie aufzupäppeln. Die Kommunal- und Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz wurde von „Planungszellen“ und „Bürgerdialogen“ begleitet, viele Kommunen beteiligen ihre Bürgerinnen und Bürger inzwischen über den „Bürgerhaushalt“ an der Planung ihrer Ausgaben. Kurzum: Die alte grüne Forderung nach mehr Transparenz und Beteiligung ist in den Städten und Gemeinden endlich angekommen.

Ungleiche Beteiligungschancen

Doch unser Engagement für Beteiligung darf nicht mit der Freischaltung des Online-Bürgerhaushaltes enden. Denn der Weg zu gleicher Beteiligung und umfassender Transparenz ist noch weit. Längst haben nicht alle Menschen in unserer Gesellschaft die Möglichkeit, sich politisch zu beteiligen. Wir müssen die aktuellen Formen der Bürgerbeteiligung kritisch begleiten und dort, wo es nötig ist, nachbessern.

Das dringlichste Problem bei den bislang praktizierten Beteiligungsformen sind aus meiner Sicht die ungleichen Teilhabechancen: Je höher Bildung und Einkommen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, sich politisch zu beteiligen. Dies gilt umso mehr bei neueren Formen der Bürgerbeteiligung. Nur wer über einen Internetzugang verfügt, genügend Sachkenntnis und Zeit hat, wird beim Online-Bürgerhaushalt eine Eingabe machen. Rhetorisches Geschick, Durchsetzungsvermögen und ein souveränes Auftreten spielen dagegen bei sogenannten Bürger-Workshops eine größere Rolle. Hier ist also klar im Vorteil, wer durch seine Ausbildung oder seinen Beruf geübt ist, vor vielen Leuten zu sprechen.

Barrieren abbauen

Bürgerhaushalte müssen raus aus dem Internet und rein in die Stadt, damit auch ältere Menschen daran teilnehmen können. Moderierte Versammlungen in einzelnen Stadtteilen und die besondere Ansprache von Migrantinnen und Migranten und Menschen aus bildungsfernen Milieus können helfen, ungleiche Beteiligungschancen auszugleichen. Bürger-Workshops dürfen sich nicht nur um ordnungs- und verkehrspolitische Fragen drehen, sondern auch um Themen, die für Menschen ohne Auto interessant sind. Einladungen zu Bürgerversammlungen müssen in Leichter Sprache verfasst sein, damit auch Menschen mit Lernschwierigkeiten die Chance bekommen, sich gleichberechtigt zu beteiligen.

Politische Gleichheit bedeutet, dass jede Stimme das gleiche Gewicht hat. Bei demokratischen Wahlen ist dieses Prinzip längst umgesetzt, bei anderen Formen von Beteiligung müssen wir entschieden dafür eintreten, dass die politische Gleichheit nicht unterlaufen wird. Wir GRÜNE setzen in den Kommunen bereits deutliche Zeichen für mehr Teilhabe – lasst uns gemeinsam dafür kämpfen, dass dieses Recht allen Bürgerinnen und Bürgern gleichermaßen zuteil wird.

  • Das „Handbuch Bürgerbeteiligung“, erschienen bei der Bundeszentrale für politische Bildung, gibt einen guten Überblick über verschiedene Formen der Bürgerbeteiligung. Es ist kostenlos als E-Book verfügbar: www.bpb.de/shop

 

Beitrag von Corinna Rüffer in  „Forum Kommunal” (12/2014), dem Mitgliedermagazin der kommunalpolitischen Vereinigung ⇒ GARRP.