Gebärdensprachen in Europa

[30.03.2020] 

Wie viele Gebärdensprachen existieren in den europäischen Staaten? Wie ist die jeweilige rechtliche Stellung und wie werden sie gefördert? Ich habe den Wissenschaftlichen Dienst (WD) des Deutschen Bundestages gebeten, eine Aufstellung über diese Fragen zu erstellen.

Mit Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) haben sich neben Deutschland auch eine Reihe weitere Staaten dazu bereit erklärt, das Erlernen der Gebärdensprache zu fördern sowie die sprachliche Identität und Kultur der Gehörlosen anzuerkennen (Art. 24 und 30 UN-BRK). Die Umsetzung ist je nach Land jedoch sehr unterschiedlich.

In Finnland ist beispielsweise der öffentlich-rechtliche Rundfunk verpflichtet, Dienstleistungen in Gebärdensprache zu erbringen. Auch in Dänemark müssen öffentliche Sender Nachrichten in Gebärdensprache bereitstellen. In Portugal können sich Kinder für einen zweisprachigen Unterricht entscheiden, in dem auch die portugiesische Gebärdensprache unterrichtet wird. Bei zweisprachigen Klassen kommen zusätzlich gehörlose Lehrer*innen zum Einsatz.
In den 27 untersuchten EU-Mitgliedstaaten werden insgesamt 30 verschiedene Gebärdensprachen genutzt. In Belgien, Estland, Finnland und Spanien sind es sogar mehrere Gebärdensprachen.

Da die Rechtssysteme der EU-Länder sehr unterschiedlich sind, ist ein Vergleich schwierig. Bis auf drei Länder (Bulgarien, Luxemburg, Malta) gibt es in allen Länder eine Form der rechtlichen Anerkennung der Gebärdensprache. Allerdings ist die Anerkennung unterschiedlich ausgeprägt, auf verfassungsrechtlicher Ebene erkennen nur vier Länder (Finnland, Portugal, Österreich, Ungarn) die Gebärdensprache an. Interessant ist, dass die Anerkennung in einigen Ländern auf das Engagement von nationalen Gehörlosenvereinigungen zurückgeht. In keinem europäischen Land ist die jeweilige Gebärdensprache als Minderheitensprache anerkannt.

WD: Sachstand „Rechtliche Stellung der Gebärdensprache in den europäischen Staaten“

WD: Kurzinfo „Gebärdensprache als Minderheitensprache?“

 

Hintergrund: Wissenschaftlicher Dienst
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