Advent, Advent: Interreligiöser Dialog im Karl-Marx-Viertel

[18.12.2015]  Im Gespräch

In der Adventzeit öffnet sich im Trierer Karl-Marx-Viertel, in dem das Grüne Büro liegt, jeden Tag eine Laden- oder Bürotür für ein besonderes Ereignis. Wir haben diesmal Jüd*innen, Muslim*innen, Christ*innen, Agnostiker*innen, Atheist*innen und alle anderen Menschen dazu eingeladen, mit uns unter dem Motto „Give Peace a Chance“ über den Frieden zu diskutieren.

Das Jahr 2015 war bestimmt von Bürgerkriegen, Flucht, Vertreibung und Terror. Die schockierenden Anschläge von Paris sind ein erneuter Beleg dafür, wie klein die Welt geworden ist. Abschottung ist keine Lösung, denn die Attentäterinnen und Attentäter kamen fast alle aus dem Herzen Europas. Sind wirklich religiöse Konflikte und Intoleranz die wesentliche Ursache für alle Probleme? Ich bezweifle das. Enorme Versäumnisse in der Bildungs-, Sozial-, Arbeitsmarkt- und Integrationspolitik sind verantwortlich dafür, dass beachtliche Bevölkerungsteile von Wohlstand und Teilhabe ausgeschlossen sind. Das kollektive Gefühl abgehängt zu sein, war schon immer brandgefährlich. Es erleichtert den geistigen Brandstiftern von rechts und aus der islamistischen Szene, auf Seelenfang zu gehen.

Diskutiert wurde auch die Rolle des Internets. Mit seinen leicht zugänglichen Portalen sei es wesentliche Quelle zur Radikalisierung und Rekrutierung von gewaltbereiten religiösen Fanatikerinnen und Fanatiker. Insbesondere Jugendliche, denen eine feste Verwurzelung fehle und die deshalb oft eine grundsätzliche Leere verspürten, seien anfällig für „platte“ Ideologien. Eine ernsthafte und vertiefte Auseinandersetzung mit theologischen Fragen finde nicht statt. Deshalb sei es wichtig, dass die Moscheen kluge Imame engagieren, so der Vertreter des Moscheevereins. Die Vertreterinnen und Vertreter der christlichen Kirchen hoben hervor, dass keine der monotheistischen Weltreligionen eine Unterscheidung der Wertigkeit von menschlichem Leben nach Konfession oder anderen Kriterien zulässt. Selbstbewusster Glaube mache neugierig auf das Andere, Unsicherheit dagegen verstärken das Bedürfnis von Abgrenzung und Abwertung.

Gegen die Polarisierung unserer Gesellschaft, helfen persönliche Beziehungen. Begegnungen führen zu Empathie, denn „Man kann niemanden hassen, den man kennengelernt hat“, wie ein Gast sagte.

Ich freue mich, dass der Dialog auf so positive Resonanz gestoßen ist. Die Teilnehmenden äußerten den Wunsch, ihn weiterzuführen und konkrete Aktionen zu planen. Hoffnung macht mir die Tatsache, dass 20 Prozent aller Deutschen sich derzeit auf irgendeine Weise in der Arbeit mit Flüchtlingen engagieren.