Im Oktober 2018 deckte ein interner Revisionsbericht der Bundesagentur für Arbeit gravierende Mängel bei der Beratung arbeitsloser Menschen mit Behinderung auf. Ich habe deshalb mit einer Kleinen Anfrage nachgehakt, wie die Bundesregierung mit diesen Erkenntnissen umgeht. So haben wir zum Beispiel gefragt, ob für die besonderen Bedürfnisse von behinderten Ratsuchenden ein höherer Personalschlüssel vorgesehen ist, um die teilweise zeitaufwändigere Beratung zu ermöglichen. Zwar können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besondere Bedarfe anmelden, doch diese müssen nicht zwingend berücksichtigt werden. Wer also beispielsweise Gebärdensprache zur Kommunikation nutzt oder etwas langsamer versteht, kann nicht unbedingt darauf setzen, dass die Beraterinnen oder Berater deshalb mehr Zeit einplanen können. Hier muss im Sinne besserer Inklusion in den Arbeitsmarkt dringend nachgebessert werden!
Bei Konflikten mit dem Jobcenter werden die Ratsuchenden an die Schlichtungsstelle beim Behindertenbeauftragten der Bundesregierung verwiesen – das ist keine niedrigschwellige Unterstützung. Sinnvoller wären Ombuds-Personen speziell für behinderte Menschen, die deren Interessen gegenüber dem Jobcenter vertreten könnten und die örtlich an die Jobcenter angegliedert sind.
Besonders empörend ist, dass sich die Bundesregierung mit einem für behinderte Menschen häufig verschlossenen Arbeitsmarkt zufriedengibt. So heißt es in der Antwort u.a.: „Auch ist es dem Rehabilitationsträger bzw. dem Jobcenter nicht möglich, den Rehabilitanden das allgemeine Arbeitsmarktrisiko im Hinblick auf die ausreichende Verfügbarkeit behinderungsgerecht auszugestaltender Arbeitsplätze vollständig abzunehmen.“ Übersetzt: Der Arbeitsmarkt ist nicht inklusiv, aber das ist dann ein individuelles Problem. Die Bundesregierung selber sieht sich nicht in der Pflicht, den Arbeitsmarkt inklusiv zu gestalten. Sie weigert sich beispielsweise seit Jahren, Barrierefreiheit verpflichtend in der Arbeitsstättenverordnung zu verankern.
Bisher findet keine flächendeckende unabhängige externe Qualitätsprüfung der Bundesagentur für Arbeit statt, indem beispielsweise die Nutzerinnen und Nutzer in die Evaluation einbezogen werden. Eine solche Einbeziehung arbeitsloser Menschen mit Behinderung bei der Gestaltung eines Systems, das sie schließlich unterstützen soll, wäre aber dringend nötig. Außerdem müssten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter umfassend geschult werden, um auf die vielschichtigen Problemlagen reagieren zu können. So können z. B. neben einer Behinderung auch finanzielle Schwierigkeiten, gesundheitliche Probleme oder Suchterkrankungen vorliegen. Auch die Betreuung von Kindern oder Pflege von Angehörigen kann eine zusätzliche Herausforderung sein. Eine strukturelle Reform der Jobcenter ist also dringend erforderlich, die die Bedürfnisse der arbeitslosen Menschen (mit Behinderung) in den Vordergrund rückt und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für diese anspruchsvolle Beratungsaufgabe qualifiziert.
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Zur Beratung arbeitsloser Menschen mit Behinderung durch die Jobcenter“, (Pdf), Bundestags-Drucksache 19/8887, 02.04.2019