Duogynon als Ursache embryonaler Fehlbildungen

[22.11.2018]  Anfrage

Das Hormonpräparat Duogynon steht seit langem im Verdacht, bei ungeborenen Kindern schwere Fehlbildungen ausgelöst zu haben. Betroffen sind davon vermutlich tausende Frauen, die das Mittel im Zeitraum zwischen den 1950er und 1980er Jahren einnahmen, beziehungsweise ihre Kinder.

Inzwischen sind Akten aus einem ersten, 1980 eingestellten Strafverfahren gegen die Herstellerfirma Schering zugänglich. Sie enthalten zahlreiche Hinweise darauf, dass Schering von der fruchtschädigenden Wirkung des Medikaments wusste, diese Erkenntnisse aber absichtlich zurückhielt. Auch das damals zuständige Bundesgesundheitsamt (BGA) ist seiner Verantwortung anscheinend nicht wirklich nachgekommen. Im Gegenteil haben einige BGA-Mitarbeiter Schering wohl dabei unterstützt, das Medikament möglichst lange auf dem Markt zu halten. Ein leitender BGA-Mitarbeiter soll sich gar als „Advokaten der Firma Schering“ bezeichnet haben.

In Großbritannien haben diese Informationen mittlerweile dazu geführt, dass eine großangelegte Untersuchungskommission den Fall neu aufrollt. Die Bundesregierung sieht dagegen jedoch keine Notwendigkeit, tätig zu werden. In der Antwort auf unsere Kleine Anfrage hält sie an ihrer Position fest, ein Zusammenhang zwischen Duogynon und Fehlbildungen sei nicht nachzuweisen. Auch der schwerwiegende Verdacht, dass das BGA als Aufsichtsbehörde versagt haben könnte, schert die Bundesregierung anscheinend nicht: Man geht davon aus, dass „das ehemalige Bundesgesundheitsamt in seiner Gesamtheit seiner Verantwortung als unabhängige Arzneimittelüberwachungsbehörde nachgekommen ist.“ Mehr noch zeigt die Antwort sehr deutlich, dass die Bundesregierung an einer Aufklärung überhaupt nicht interessiert ist bzw. diese geradezu verweigert, sieht sie doch „keine Veranlassung, weitere, aufwändige Untersuchungen alter Aktenbestände durchzuführen“. Man ist nicht einmal bereit, die in der Anfrage genannten Belegstellen zu prüfen. Die entsprechenden Fragen bleiben unbeantwortet. Selbst Gespräche mit den Geschädigten lehnt die Bundesregierung ab.

Die Antworten und die Position der Bundesregierung sind ein Schlag ins Gesicht aller Opfer von Duogynon. Die Bundesregierung muss eine umfassende Aufklärung endlich aktiv unterstützen und vorantreiben.

 

Hintergrund:
Die Firma Schering, die seit 2006 zu Bayer gehört, brachte Duogynon 1950 auf den Markt. Das Hormonpräparat wurde zur Behandlung ausbleibender Monatsblutungen und als Schwangerschaftstest eingesetzt. Bereits 1967 erschien im Fachmagazin „Nature“ eine Studie, die einen Zusammenhang zwischen Duogynon und Fehlbildungen bei Kindern vermutete (u.a. Gaumenspalte, Herzfehlbildungen oder offener Rücken). Doch erst 1981 wurde das Mittel in Deutschland vom Markt genommen – deutlich später als in anderen Ländern.