Kein ausreichender Schutz behinderter Menschen vor Gewalt

[14.07.2017]  Anfrage

Behinderte Menschen erleben viel häufiger Gewalt, als nichtbehinderte Menschen. Erst kürzlich hat ein Bericht des „Team Wallraff“ gravierende Missstände und gewalttätige Übergriffe in Einrichtungen der Behindertenhilfe aufgedeckt. Die Vereinten Nationen haben Deutschland bereits 2015, als sie die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention überprüft haben, aufgefordert, mehr für den Gewaltschutz zu tun. Vor diesem Hintergrund wollte ich gemeinsam mit meiner Fraktion von der Bundesregierung wissen, was sie tut, um behinderte Menschen besser vor Gewalt zu schützen. Um es kurz zu machen: So gut wie nichts.

So hat sich die Bundesregierung klammheimlich von dem Vorhaben verabschiedet, eine Gewaltschutzstrategie zu entwickeln. Dabei hatten die UN exakt das gefordert und die Bundesregierung hatte eine solche Strategie im „Nationalen Aktionsplan zur Behindertenrechtskonvention (NAP 2.0)“ angekündigt. Doch von einer Gewaltschutzstrategie, die diesen Namen verdient, ist keine Rede mehr. Die Bundesregierung hält lediglich „die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses, auf welchen Grundlagen und Kerngedanken die jeweiligen Konzepte und Strategien im Bund und in den Ländern aufgebaut sein sollten“ für denkbar. Unverbindlicher geht es kaum.
Mit Blick auf den Schutz behinderter Menschen, die in Einrichtungen leben, verweist die Bundesregierung auf eine Neureglungen im Kinder- und Jugendstärkungsgesetz. Doch das hat der Bundesrat letzte Woche gestoppt, es wird wahrscheinlich gar nicht mehr in Kraft treten. Außerdem beträfe es nur die Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, für Einrichtungen der Behindertenhilfe würde das Gesetz nicht gelten. (Antworten 1-3)

Die Bundesregierung ist bislang auch nicht gewillt, eine unabhängige Aufsicht auf Bundesebene zur Überwachung von Gewalt einzurichten. Ebenfalls eine Forderung der UN, deren Dringlichkeit die „Team Wallraff“-Reportage noch einmal deutlich gemacht hat. Viele Länder geben zwar an, bei ihnen sei die Heimaufsicht auch dafür zuständig. Doch nur in wenigen Bundesländern ist Gewaltschutz explizit im Fokus der Heimaufsicht. Trotzdem hat die Bundesregierung erst einmal mit den Ländern gesprochen, ob deren Aufsichtsmechanismen weiterentwickelt werden sollten und will bis nächstes Jahr nur versuchen, „eine grundsätzliche Verständigung“ mit den Ländern zu erzielen. Beim Thema Gewaltschutz verbietet sich das Schneckentempo! (Antworten 4-6)

Die Bundesregierung teilt die Ansicht, dass behinderte Menschen oft keinen Zugang zu Beratungsstellen und Frauenhäusern haben, weil diese nicht barrierefrei sind. Sie tut aber wenig, um daran etwas zu ändern. So verweist sie in der Antwort zwar auf sechs geförderte Projekte zur Gewaltprävention und -beratung – doch vier davon sind bereits abgeschlossen. Auch ist die eine noch laufende Initiative, das Hilfetelefon, längst nicht ausreichend. Es ist unwahrscheinlich, dass damit Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen in Einrichtungen erreicht werden. Wer z.B. nicht in der Lage ist, verbal zu kommunizieren, wird kein Hilfetelefon nutzen.
Zur Finanzierung des barrierefreien Ausbaus von Frauenhäusern und Fachberatungsstellen ist die Bundesregierung mit den Ländern zwar im Gespräch – bisher aber ohne Ergebnis. Gefragt wäre ein zielgerichtetes gemeinsames Investitionsprogramm mit den Ländern für den barrierefreien Ausbau. (Antworten 7-12)