Teilhabeberatungsstellen besser unterstützen

[31.01.2020]  Anfrage

Wer Fragen zum Thema Teilhabe hat, kann sich an eine der bundesweit gut 500 Teilhabeberatungsstellen (EUTB®) wenden. Hier beraten Peers – behinderte Menschen oder ihre Angehörigen – auf Augenhöhe. Die Beratungsstellen leisten sehr gute Arbeit, sind aber auch mit Schwierigkeiten konfrontiert. Wir haben daher die Bundesregierung befragt, was sie zur Lösung der Probleme beitragen wird.

Die Bundesregierung argumentiert die Probleme in ihren Antworten einfach weg. Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit zwischen Beratungsstellen und Reha-Trägern gebe es grundsätzlich keine, nur in Einzelfällen (Frage/Antwort 7). Besonders grotesk wird es, wenn es um Probleme in der Beratung von Ratsuchenden in anderen Sprachen geht. Hier meint die Bundesregierung: „Fremdsprachenkenntnisse sind Sprachbarrieren, aber keine Barrieren für Ratsuchende mit Beeinträchtigungen oder drohenden Beeinträchtigungen im Sinne der Förderrichtlinie.“ (Frage/Antwort 20). Dabei müssten die Beratungsstellen hier dringend unterstützt werden, denn bislang gibt es in den EUTB® kaum die Möglichkeit, sich in einer Fremdsprache beraten zu lassen: Nur elf der rund 500 Beratungsstellen bieten Beratung auch auf Englisch an, andere Sprachen sind noch seltener (Frage/Antwort 21).

Viele Beraterinnen und Berater berichten von einer hohen Arbeitsbelastung aufgrund der vielen Beratungsgespräche und weil sie teilweise mit sehr belastenden Themen konfrontiert sind. Nur knapp 70 Beratungsstellen sind finanziell so ausgestattet, dass sie in etwa drei Vollzeitstellen besetzen können (Frage/Antwort 1). Wenn die Bundesregierung nun angibt, bei hoher Arbeitsbelastung könne mittels Änderungsantrag ein höherer Personalschlüssel angesetzt werden (Frage/Antwort 12), gleichzeitig aber die Mittel, die nicht nur Personalkosten abdecken sollen, nur um 10 Prozent aufgestockt werden (Frage/Antwort 24), wird das Geld nicht für alle reichen. Gerade mit Blick auf die Aufgaben der EUTB®, die in § 32 SGB IX definiert sind, befremdet zudem der Hinweis, Beratung zu (sexualisierter) Gewalt gehöre zum Aufgabenspektrum der EUTB® (Frage/Antwort 22). Es ist auch wenig einleuchtend, diese Aufgabe bei der Teilhabeberatung anzusiedeln.

Wenn der Bundesregierung tatsächlich an hochwertiger Beratung zu Teilhabeleistungen und psychosozialen Fragen gelegen ist, sollte sie so bald wie möglich die Fördermittel für die EUTB® deutlich aufstocken. Unterstützung könnten die Beratungsstellen auch beim Ausbau der Barrierefreiheit gebrauchen. Nur in fünf Bundesländern sind alle Beratungsstellen barrierefrei (Frage/Antwort 28).

Und was ist, wenn hörbeeinträchtigte Menschen eine Fachberatung zu anderen Themen – beispielsweise Mietrecht – benötigen? Dass Mieter- oder Frauenberatungsstellen keine gebärdensprachliche Beratung anbieten, findet die Bundesregierung tatsächlich unproblematisch. Völlig realitätsfremd verweist sie darauf, dass sich gebärdensprachlich kommunizierende Menschen ja in den EUTB® beraten lassen können, wie sie „im Rahmen der sozialen Teilhabe Kommunikationsassistenz beantragen können“ (Frage/Antwort 18).

Grundsätzlich fällt auf, dass die Zahl der Peers, die in den Beratungsstellen tätig sind, sich von Bundesland zu Bundesland stark unterscheidet. Besonders viele hauptamtliche Peers gibt es in Rheinland-Pfalz (83%), Berlin (82%) und Hamburg (81%). In diesen Bundesländern sind jeweils alle ehrenamtlichen Beraterinnen Peers. Besonders wenig hauptamtliche Peers sind im Saarland (44%) und in Schleswig-Holstein (45%) tätig. Während im Saarland auch unter den Ehrenamtlichen nur gut die Hälfte der Berater*innen Peers sind (54%), sind alle ehrenamtlichen Berater*innen in Schleswig-Holstein Peers.

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage: „Zur Situation in den Beratungsstellen der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung“, Bundestags-Drucksache 19/16818, 28.1.2020