Als Bund, Länder und Kirchen 2012 die Fonds „Heimerziehung West“ und „Heimerziehung in der DDR“ eingerichtet haben, blieb eine Gruppe außen vor: Ehemalige Heimkinder aus Behinderteneinrichtungen oder Kinder- und Jugendpsychiatrie waren nicht antragsberechtigt. Für sie wurde erst 2017 ein ähnliches Hilfesystem eingerichtet: die Stiftung „Anerkennung und Hilfe“. Doch bisher sind die Antragszahlen überschaubar und liegen deutlich unter den geschätzten Zahlen von Betroffenen. Zudem haben viele Betroffene den Eindruck, dass die Stiftung „Anerkennung und Hilfe“ intransparent arbeitet und „ins Leere läuft“. Ich habe die Bundesregierung deshalb zum Stand der Antragstellung und der Aufarbeitung sowie zur der Öffentlichkeitsarbeit befragt.
Erfreulich ist, dass die Anmeldefrist zur Stiftung inzwischen verlängert wurde – um ein Jahr bis zum 31. Dezember 2020. Ebenso erfreulich ist, dass am 13. Mai 2019 eine Veranstaltung des Bundes zur öffentlichen Anerkennung stattfinden wird, auf der u.a. erste Ergebnisse des bundesweiten Forschungsprojekts zur wissenschaftlichen Aufarbeitung vorgestellt werden. Das sind aber so ziemlich die einzigen positiven Antworten.
Insgesamt arbeitet die Stiftung sehr intransparent und mit viel „Geheimniskrämerei“. So werden die personelle Besetzung der Stiftungsgremien und die Arbeitsgrundlagen quasi geheim gehalten (Antwort zu 5-10). Eigene Landesveranstaltungen zur öffentlichen Benennung und Anerkennung des Unrechts haben bisher nur vier Bundesländer durchgeführt, zwei planen solche Veranstaltungen. Das ist ziemlich dürftig und zeugt nicht gerade vom Willen, das erlebte Leid und Unrecht öffentlich sichtbar zu machen und anzuerkennen (Antwort zu 11).
Auch nach fast zwei Jahren haben nur relativ wenige Betroffenen Leistungen der Stiftung beantragt, ist die Zahl der Anmeldungen und Leistungsgewährung noch sehr niedrig. Dafür gibt es mehrere Gründe: Einerseits brauchen Betroffenen erfahrungsgemäß viel Zeit, um sich in solchen Fällen an Hilfesysteme zu wenden. Außerdem haben die Anlauf- und Beratungsstellen in den ostdeutschen Ländern erst später als geplant geöffnet (Antwort zu 28/29). Zudem scheint die Öffentlichkeitsarbeit an der Zielgruppe vorbei zu gehen, da bisher insbesondere auf Anzeigen und Internetwerbung gesetzt wird (Antworten 30-32). Nötig wäre, noch stärker gezielt Einrichtungen aufzusuchen und dort Infoveranstaltungen durchzuführen. Zudem sollte die Stiftung in den Einrichtungen Anfragen, wer dort im fraglichen Zeitraum gelebt hat, und sich aktiv bemühen, mit diesen Personen Kontakt zu bekommen, um sie auf die Arbeit und Leistungen der Stiftung hinzuweisen.
Und völlig absurd bzw. nicht sachlich nicht nachvollziehbar ist: Wer Missbrauch in der Familie erlebt hat und deshalb Leistungen des Fonds „Sexueller Missbrauch im familiären Bereich“ bezieht, kann keine Leistungen der Stiftung „Anerkennung und Hilfe“ erhalten. Diese Regelung ist absolut nicht gerechtfertigt und widerspricht dem erklärten Ziel der Stiftung, erlittenes Leid und Unrecht während der Unterbringung individuell anzuerkennen (Antwort zu 20).
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Die Arbeit der Stiftung Anerkennung und Hilfe“ (Pdf), Bundestags-Drucksache 19/7009, 14.01.2019