Teilhabeberatung darf nicht in Bürokratie ersticken

[20.04.2018]  Anfrage

Seit Anfang des Jahres gibt es die „unabhängige Teilhabeberatung“ für behinderte Menschen, die Unterstützung benötigen. Doch Vereine und Initiativen, die solche Beratungsstellen einrichten wollten, waren mit viel Bürokratie konfrontiert. Ich habe deshalb die Bundesregierung zum aktuellen Stand der Teilhabeberatung befragt.

Die Koalition wird nicht müde zu betonen, dass ihr die neue unabhängige Teilhabeberatung für Menschen mit Behinderungen am Herzen liegt. Kein Wunder, denn wer mit Behinderung lebt und Unterstützung beantragt, ist häufig einer unübersichtlichen Bürokratie ausgeliefert oder muss sich mit Widerspruchsverfahren herumschlagen. Ein Angebot wie die Teilhabeberatung, bei dem behinderte Menschen andere Menschen mit Beeinträchtigung beraten (so genanntes Peer-Prinzip), ist daher Gold wert. Also habe ich die Bundesregierung gefragt, wie sie die Beratungsstellen dabei unterstützt, behinderte Menschen als Beraterinnen und Berater einzustellen. Die Antwort überrascht: „Die Beratungsangebote sind verpflichtet, Fördermittel für Menschen mit Behinderungen zu nutzen und werden auch auf diese Weise darauf hingewiesen, Menschen mit Behinderungen einzustellen.“ Im Klartext: Wer behinderte Menschen einstellt, muss sich anderweitig Fördermittel organisieren (zum Beispiel bei der Bundesagentur für Arbeit). Diejenigen, die nur nicht-behinderte Menschen beschäftigen, erhalten dagegen die ganze Förderung vom Bund. Das motiviert nicht dazu, behinderte Menschen einzustellen, im Gegenteil.

Die Bundesregierung hat auch nicht vor, mehr behinderte Menschen zu Peer-Beraterinnen bzw. -Beratern zu qualifizieren, um so die Zahl der behinderten Beraterinnen und Berater langfristig zu erhöhen. Schulungen gibt es nur für die, die bereits eingestellt wurden – ob behindert oder nicht (Frage/Antwort 12). Das ist bedauerlich, denn bei den Beratungsstellen entstehen bundesweit hunderte Stellen, die bestenfalls mit behinderten Menschen besetzt werden. Zusätzliche offene Qualifizierungsangebote speziell für behinderte Menschen, auch wenn sie noch nicht eingestellt wurden, wären deshalb sinnvoll und wünschenswert. Wie viele behinderte Menschen in der Beratung arbeiten, weiß die Bundesregierung nicht (Frage/Antwort 9). Ob das „Budget für Arbeit“ genutzt wird, um behinderte Beraterinnen bzw. Berater zu beschäftigen, sei nicht auszuschließen, so die Bundesregierung (Frage/Antwort 11) – auch hier kein Signal, dass sie das irgendwie fördert.

In den Antworten sind auch ein paar praktische Hinweise für die Beratungsstellen enthalten: So können künftige Gehaltserhöhungen von Beraterinnen und Beratern über einen Änderungsantrag geltend gemacht werden (Frage/Antwort 6). Außerdem dürfen Beratungsstellen auch aufsuchend beraten, wenn es im konkreten Einzelfall notwendig ist (Frage/Antwort 3). Ich bin gespannt, welche Erfahrungen die Beratungsstellen hier machen werden. Sie können mir gern berichten, was Sie vor Ort erleben.