Gedenktag an die NS-Opfer mahnt zur Anerkennung gesellschaftlicher Vielfalt

[26.01.2018]  Pressemitteilung

Zum morgigen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus erklärt Corinna Rüffer, Mitglied der Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Wenn wir der Opfern des Nationalsozialismus gedenken, erinnern wir auch an Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen. Sie gehörten zu den ersten Opfern der Nationalsozialisten. An ihnen wurde erprobt, was später in den staatlich koordinierten Massenmord an den Juden münden sollte. Bereits ab 1934 wurden schätzungsweise 400.000 behinderte und psychisch kranke Menschen aufgrund der Rassengesetze zwangssterilisiert, viele Tausend starben an den Folgen des Eingriffs. Unter dem Decknamen „Aktion T4“ töteten die Nationalsozialisten ab 1940 planmäßig etwa 300.000 behinderte und psychisch kranke Menschen. Für diese Verbrechen finden sich keine passenden Worte. Erst 72 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs stellte der Deutsche Bundestag im vergangenen Jahr diese Opfergruppe zum ersten Mal in den Mittelpunkt seiner Gedenkstunde zum 27. Januar.

Heute kämpfen wir dafür, dass behinderte Menschen selbstverständlich als Teil der gesellschaftlichen Vielfalt akzeptiert und wertgeschätzt werden. Das ist leider noch immer nicht der Fall: So wird zurzeit vor dem Familiengericht Goslar darüber verhandelt, ob einem gehörlosen Jungen gegen den Willen seiner Eltern eine Hörprothese implantiert wird. Der behandelnde Arzt möchte den Jungen auf diese Weise „heilen“. Das Klinikum informierte schließlich das Jugendamt, damit dieses eine mögliche Kindeswohlgefährdung überprüft, da die Eltern das Implantat ablehnen.

Mit der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen hat Deutschland gemeinsam mit einer großen Zahl anderer Staaten „in Anerkennung des wertvollen Beitrags, den Menschen mit Behinderungen zum allgemeinen Wohl und zur Vielfalt ihrer Gemeinschaften leisten“ Vereinbarungen über die Rechte behinderter Menschen getroffen. Diesen wertvollen Beitrag zu sehen, fällt vielen nichtbehinderten Menschen noch schwer.