Nach der Großrazzia im Rotlichtmilieu, unter anderem in einem Trierer „Flatrate-Bordell“, das anschließend geschlossen wurde, mahnte Corinna Rüffer, dass die Debatte nicht auf das Problem Straßenstrich reduziert werden darf: „Wir brauchen Lösungen, die alle Facetten des Problems berücksichtigen.“
„Krankenhausreif geschlagene Prostituierte, Menschenhandel im großen Stil, Protestschreiben gegen den Straßenstrich, eine überdurchschnittlich hohe Anzahl an Prostituierten und eine halbe Stelle für eine Sozialarbeiterin: Prostitution ist kein Beruf wie jeder andere. Die Ereignisse zeigen, dass die Reduzierung der Debatte rein auf den Straßenstrich und dessen Standort grundlegend falsch ist. Wir brauchen Lösungen, die alle Facetten des Problems berücksichtigen.
Registrierungspflicht für Prostituierte
Durch die Nähe zu Luxemburg und Frankreich, wo Prostitution viel stärker gesetzlich reglementiert ist, gibt es in Trier einen größeren Sextourismus als in anderen deutschen Städten. Die Unsicherheit bei den genauen Zahlen, wie viele Menschen in Trier der Prostitution nachgehen, liegt an der fehlenden Registrierungspflicht von Sexarbeitenden in Deutschland. Der zuständige Dezernent der Stadt Trier, Herr Egger, ist gefordert, ein Jahr nach Einführung der Sexsteuer, endlich verlässliche Zahlen vorzulegen.
Sozialversicherung und Arbeitsrecht neu regeln
Die Debatte über die Anzahl der Prostituierten in Trier darf aber nicht von dem eigentlichen Problem ablenken: dem Schutz der überwiegend weiblichen Prostituierten. Ein gut gemeintes Prostitutionsgesetz hat im Zusammenspiel mit dem Umbruch in den Staaten des ehemaligen Ostblocks und den Grenzöffnungen zu einer Situation geführt, die nicht weiter toleriert werden kann. Das Gesetz ist entstanden aus dem Diskurs der sexuellen Befreiung und ging von der selbstbestimmten Frau aus. Diese Überlegungen haben mit der heutigen Realität im Prostitutionsgewerbe wenig gemein. Frauen und Männern sollte die Möglichkeit gegeben werden, einem sozialversicherungspflichtigen Gewerbe nachzugehen und sich aus der Abhängigkeit von Zuhältern aus einem kriminellen Milieu zu lösen. In sehr vielen Fällen wurde aber das Gegenteil erreicht. Das „eingeschränkte Weisungsrecht“, das als Brücke für die Aufnahme in die Sozialversicherungen gedacht war, dient Bordellbetreibenden dazu, immer mehr von den Prostituierten zu verlangen. Hier bedarf es einer Änderung des Prostitutionsgesetzes. Es muss gemeinsam mit den Kassen eine Regelung gefunden werden, die es Prostituierten erlaubt, Mitglied in der gesetzlichen Sozialversicherung zu werden, ohne weisungsgebunden zu sein.
Gewerberecht für Prostitution und polizeiliches Führungszeugnis von Bordellbetreibern
Aber auch die Zulassung der Bordellbetriebe bedarf einer stärkeren Regelung durch den Gesetzgeber. Es darf nicht sein, dass eine Pommesbude mehr Auflagen hat als ein Bordell. Eine Auflage für Bordellbetreiber muss z.B. ein einwandfreies polizeiliches Führungszeugnis sein. Durch die Erlaubnispflicht von Bordellen würde auch die Transparenz dieses, sich so gerne im Dunkeln aufhaltenden Gewerbes, erhöht werden.
Aussageunabhängiges Bleiberecht für Opfer des Menschenhandels
Um den Menschenhandel nachhaltig zu bekämpfen, braucht es auch in Deutschland ein „aussageunabhängiges Bleiberecht“ wie es in anderen europäischen Staaten, z.B. Italien, schon heute bewährte gesetzliche Praxis ist. Die Opfer von Menschenhandel haben dort die Wahl entweder direkt einen Prozess anzustrengen oder in einem eventuell später stattfindenden Prozess auszusagen, nachdem sie den Menschenhandel angezeigt haben. Durch die gewährte Sicherheit für die Opfer erhöht sich deutlich deren Aussagebereitschaft und damit auch der Druck auf die maffiösen Strukturen.
Schutz junger Erwachsener
Auch über die Altersgrenze von Prostituierten muss nachgedacht werden. Menschen entwickeln sich unterschiedlich schnell. Deshalb hat der Gesetzgeber festgelegt, dass auch bei Menschen zwischen 18 und 21 Jahren nicht das Erwachsenenstrafrecht, sondern Jugendstrafrecht angewendet werden kann. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass in der Gruppe der Heranwachsenden viele noch nicht die Reife besitzen, um ebenso wie Erwachsene für ihre Taten bestraft zu werden. Dies gilt natürlich anders herum auch: Junge Menschen, denen es noch an Reife, Selbstbewusstsein und Selbständigkeit fehlt, werden besonders leicht zu Opfern gerade im kriminellen Milieu des Prostitutionsgewerbes. Daher ist es notwendig, diese Gruppe unter einen besonderen Schutz des Gesetzgebers zu stellen und Prostitution unter 21 Jahren als Menschenhandel zu werten.
Beratungsangebote ausweiten
Damit der Ausstieg aus Prostitution leichter wird, bedarf es niedrigschwelliger Angebote. Von den geschätzten 170-250 Prostituierten in Trier nutzen zurzeit gerade mal 50 Frauen die Untersuchungsangebote des Gesundheitsamtes. Vor allem bedarf es aber einer Begleitung durch Sozialarbeiterinnen und -arbeiter. Für Trier und den Landkreis Trier-Saarburg wurde gerade die Schaffung einer halben Stelle beschlossen. Das kann nur der Anfang sein.
Opferschutz vor Finanzinteressen
Lösungen, die alleine auf die Ausweitung von Sperrbezirken basieren, greifen zu kurz. Der Sozialdienst katholischer Frauen in Köln geht einen anderen Weg. Dort gibt es ein umzäuntes Areal für den Straßenstrich. Notruftasten, Sozialräume sowie Ausstiegs- und Lebensberatung gehören zum Programm. In Trier wird diese Regelung aus finanziellen Gründen nicht ernsthaft diskutiert. Wir bekommen die Vielzahl an Problemen, die es im Umfeld der Prostitution gibt, aber nicht in den Griff, indem wir alles in nicht einsehbare Gewerbegebiete verschieben. Wir müssen uns der Debatte und den Problemen stellen und wieder hinsehen.“