Eine Reform unseres Betreuungsrechts ist dringend nötig, denn die Regelung bedeuten für Betroffene häufig eine Entrechtung und Entmündigung. Es ist deshalb mit der UN-Behindertenrechtskonvention unvereinbar und „alle Formen der ersetzenden Entscheidung“ müssen durch „System der unterstützten Entscheidung“ ersetzt werden. Das hat der UN-Fachausschuss, der über die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention wacht, bereits vor fünf Jahren angemahnt. Manche Praktiken der Freiheitsentziehung charakterisiert der Fachausschuss gar als Folter.
Mit ihrem Gesetzentwurf, der gestern in erster Lesung im Bundestag beraten wurde, möchte die Bundesregierung nun den Paradigmenwechsel vollziehen – weg von der Bevormundung hin zur rechtlichen Unterstützung. Und es ist erfreulich, dass künftig die Wünsche der betreuten Menschen Richtschnur für Betreuer*innen sein sollen. Leider setzt der Gesetzentwurf das aber nur in Ansätzen um. Es ist nicht garantiert, dass das in der Praxis dann auch geschieht, denn rechtliche Betreuer*innen sollen weiterhin umfassende Vertretungsbefugnisse haben. Außerdem stellt der vorliegende Entwurf nicht sicher, dass sich die betroffene Person gegen eine Betreuung zur Wehr setzen kann – obwohl die UN-Behindertenrechtskonvention das verlangt.
Worauf wir unser Augenmerk außerdem richten sollten: Ein wesentlicher Teil der rechtlichen Betreuungen könnte vermieden werden! Schätzungsweise jede vierte rechtliche Betreuung wird nur deshalb von Gerichten angeordnet, weil die betroffenen Menschen keinen Zugang zu Leistungen wie Eingliederungshilfe, Hartz IV oder Sozialhilfe finden bzw. die zuständigen Ämter es nicht auf die Kette bringen, diese Menschen anständig und umfassend zu beraten.
Anstatt immer mehr Menschen in ihre Grundrechte einzugreifen müssen wir endlich den Behördendschungel lichten und dafür sorgen, dass die Menschen von Ämtern unterstützt werden.
Zum Lesen: Meine Rede zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts