Der Antrag „Potenziale nutzen – Inklusive Arbeitswelt stärken“, den die Unionsfraktion hier vorgelegt hat, ist nicht perfekt – aber er ist nicht schlecht. Andererseits: CDU und CSU hatten 16 Jahre lang Zeit in der Bundesregierung, um eine inklusive Arbeitswelt voranzutreiben.
Doch sie haben all diese Jahre bedauerlicherweise nicht genutzt. Noch nie waren so viele Menschen mit Behinderungen in Sondereinrichtungen. Die (Aus-)Sonderstrukturen haben sich durchgesetzt, die Inklusion ist auf dem Rückmarsch. Sonderschulen werden teilweise erweitert oder neu gebaut, während die schulische Inklusion kaputtgespart wird. Und als Folge dieser Sonderstrukturen steigt auch die Anzahl von Menschen, die in Werkstätten arbeiten. Die Befürworter*innen dieser „Sonderwelten“ weisen gerne darauf hin, dass Menschen mit Behinderungen in Förderschulen, Werkstätten und Heime gut aufgehoben seien, weil sie solche Schutzräume bräuchten.
Aber die Realität ist oftmals eine andere: „Wenn ich vorher nicht schon behindert bin, dann bestimmt, nachdem ich dort arbeiten müsste“, sagt beispielsweise eine Frau mit psychischer Beeinträchtigung über die Werkstatt. Sie ist dem Weg in die Behindertenwerkstatt entgangen, weil sie über ein Praktikum in einen betriebsintegrierten Arbeitsplatz einsteigen konnte. Heute ist sie fest bei einem Unternehmen angestellt, weil sie das Glück hatte, auf ihrem Weg individuelle Unterstützung zu bekommen. Glück darf aber keine Kategorie sein, wenn es darum geht, geltendes Recht in Anspruch zu nehmen. Und hier liegt eine Kernaufgabe für die kommenden Jahre: Wir müssen es schaffen, den Bürokratiedschungel zu lichten. Wir brauchen einen Servicestaat und keinen Kafka-Staat.
Zum Lesen: Meine Rede zum Antrag der CDU/CSU„Inklusive Arbeitswelt stärken“ (Bundestags-Drucksache 20/1013)