Teilhabe stärken: Im Parlament über Lösungswege streiten

[03.12.2014]  Rede
Rede vom 3.12.2014 anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderung.

Stellen Sie sich vor, Sie suchen in einer fremden Stadt den Weg zu Jugendherberge und eine Frau mit Stadtplan in der Hand antwortet Ihnen: „Ich bin gerade in einem Beteiligungsprozess mit einer Reihe von Expertinnen und Experten. Über den Weg zur Jugendherberge reden wir in einer Woche. Über den Verlauf unseres Gesprächs werde ich Ihnen auf transparente Weise im Internet berichten.“ So zumindest erging es meiner Fraktion kürzlich mit einer Kleinen Anfrage zum geplanten Teilhabegesetz. Mehr als erstaunt mussten wir feststellen: Ein Jahr nach Unterzeichnung des Koalitionsvertrags ist die Bundesregierung nicht in der Lage, eine einzige inhaltliche Frage zur Reform zu beantworten. Was wären Vor- und Nachteile eines bestimmten Vorschlags für behinderte Menschen? Was wären die Vor- und Nachteile für Bund, Länder und Kommunen? Die Bundesregierung verrät es nicht. Sie möchte nicht mit uns darüber sprechen.

Interessant ist, warum die Bundesregierung sich weigert, die Vor- und Nachteile verschiedener Vorschläge zu beschreiben: Man möchte dem Beteiligungsprozess am geplanten Gesetz nicht vorgreifen, heißt es. Natürlich ist es gut und wichtig, Menschen mit Behinderungen und ihre Verbände an diesem Gesetzgebungsprozess zu beteiligen. Das darf aber nicht der Grund sein, die Debatten nur in einer Arbeitsgruppe des Bundessozialministeriums zu führen und sich vor einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Opposition zu drücken. Wir müssen im Parlament über Lösungswege streiten – und zwar nicht erst dann, wenn die Meinungsbildung bereits abgeschlossen ist!

Für uns Grüne ist klar: Der Bund muss anteilig die Finanzierung der Teilhabeleistungen übernehmen – systematisch und dauerhaft. Wir haben darüber hinaus in diesem Jahr weitere Reformvorschläge gemacht: Wir möchten ein Sofortprogramm für Barrierefreiheit und gegen Diskriminierung! Wir möchten eine echte Wahl ermöglichen zwischen dem Arbeitsplatz in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder in einem inklusiven Arbeitsmarkt.