Die Katholische Kirche steht unter Druck. Immer mehr Menschen kehren ihr Rücken. Die Gesellschaft schaut endlich genauer hin. Das ist gut so – und müsste an vielen Orten noch konsequenter geschehen.
Vor ziemlich genau zwei Jahren – im Heft 1/2020 – habe ich an dieser Stelle schon einmal einen Text über den umstrittenen Bischof-Stein-Platz in Trier veröffentlicht. Die Trierer Opferinitiative „MissBit“ hatte eine Untersuchung vorgelegt, die belegt, dass Bischof Stein in seiner Amtszeit (1967-1980) Missbrauchsvorwürfe systematisch vertuscht und beschuldigte Priester lediglich versetzt hat, so dass sie andernorts weiter ihr Unwesen treiben konnten. Meine Forderung damals: Kommt der Bitte der Opfer nach, benennt den mitten in Trier gelegen Bischof-Stein-Platz um und erkennt dem ehemaligen Bischof die Ehrenbürgerwürde ab.
Seitdem ist die Katholische Kirche immer mehr unter Druck und in Erklärungsnöte geraten: „Der Spiegel“ dokumentiert kurz vor Weihnachten in einer ausführlichen Titelgeschichte das unvorstellbare Ausmaß des Missbrauchs und der Vertuschung im Bistum Trier. Fazit: Trier steht beispielhaft für mangelhafte Aufklärung und ein System, das allem eigene Würdenträger und die Institution Kirche schützen will. Ein im Januar veröffentlichtes Gutachten zum Missbrauch im Erzbistum München belastet den ehemaligen Bischof und späteren Papst Ratzinger schwer. Er habe in seiner Münchner Amtszeit die gängige Vertuschungs- und Versetzungspraxis mitbetrieben, obwohl er teilweise nachweislich um die Vorwürfe gegen die Kleriker wusste. Wenige Tage später outen sich über Hundert Mitarbeitende der Katholischen Kirche öffentlich als queer und fordern von ihrem Arbeitgeber ein Ende der Diskriminierung (www.outinchurch.de). Und in Köln hat sich Kardinal Woelki mit der Nicht-Veröffentlichung und dann Neubeauftragung eines Missbrauchsgutachtens so weit ins Abseits manövriert, dass er eine mehrmonatige Auszeit einlegen musste. Seine Rückkehr ins Amt Anfang März ist von so heftigen Portesten begleitet, dass er dem Papst seinen Amtsverzicht anbietet. Doch wie konsequente Verantwortungsübernahme auf katholisch aussieht, hatte Papst Franziskus ja bereits mit seiner „Mach weiter“-Aufforderung an Kardinal Marx deutlich gemacht …
Und in Trier? Der Bischof-Stein-Platz trägt seinen Namen immer noch und der ehemalige Kirchenfürst ist weiterhin Ehrenbürger unserer Stadt. Bei einer Expertenanhörung im Stadtrat im Februar sprachen sich der Kriminologe Christian Pfeiffer sowie Thomas Schnitzler, Historiker und MissBit-Sprecher, aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse eindeutig für die Aberkennung der Ehrenbürgerwürde und Umbenennung des Platzes aus. Dagegen warb Gerhard Robbers, Leiter der Aufarbeitungskommission des Bistums Trier, vehement dafür zu warten, bis die Kommission Ergebnisse vorgelegt habe. Bezeichnenderweise konnte er aber nicht darlegen, an welcher Stelle die bisherigen Erkenntnisse nicht stimmen sollten. Er verwies lediglich darauf, dass man prüfen müsse, inwieweit Stein bewusst und absichtlich entschieden oder nur versehentlich Fehlentscheidungen getroffen habe.
Ich sehe das anders! Wenn die Fakten nicht bestritten werden, muss der Stadtrat ein Urteil fällen und darf nicht der Kirche nach all ihrem Versagen das Heft des Handelns überlassen. So hat es z.B. die Stadt Hildesheim gemacht und unter vergleichbaren Voraussetzungen einen Platz umbenannt. Doch in der Ratssitzung vom 23. März hat sich die große Mehrheit des Trierer Stadtrats hinter der kirchlichen Aufarbeitungskommission versteckt und den grünen Antrag auf Umbenennung des Platzes abgelehnt. Offensichtlich wird hier weiterhin lieber die „Kumpanei“ mit der in Trier immer noch mächtigen Katholischen Kirche gepflegt, anstatt sich endlich solidarisch mit den Opfern zu zeigen.
(Artikel aus „grünRegional“, Ausgabe 4/2022)