Wer wird beatmet? – Gesetzliche Regelung nötig

[23.04.2020]  schriftliche/mündliche Fragen

Wenn Ärztinnen und Ärzte entscheiden, wer eine Intensivbehandlung bekommt und wer nicht, spricht man von Triage (abgeleitet von vom französischen „trier“: aussuchen oder sortieren). Um eine Orientierung für solche Entscheidungssituationen zu geben, haben medizinische Fachgesellschaften Kriterien erstellt, wie zu entscheiden ist, wer vorrangig behandelt wird. Der Deutsche Ethikrat hat sich dazu ebenfalls geäußert.

Aus verfassungsrechtlicher Sicht sind die Empfehlungen der Fachgesellschaften allerdings problematisch: Wenn sich Ärztinnen und Ärzte bei Triage-Entscheidungen an die Empfehlungen der Fachgesellschaften hielten, hätten viele behinderte Menschen so gut wie keine Chance auf lebenserhaltende Behandlung. Patientinnen und Patienten werden demnach unter anderem auf einer „Gebrechlichkeits-Skala“ einsortiert. Viele behinderte Menschen landen da weit hinten und zwar ganz unabhängig davon, ob sie mithilfe einer Intensivbehandlung wieder gesund werden könnten. Eine junge behinderte Person mit persönlicher Assistenz hätte beispielsweise per se das Nachsehen. Das wäre ein Verstoß gegen den Schutz der Menschenwürde und das Benachteiligungsverbot.
Der Ethikrat erklärt in seiner Empfehlung zwar, dass es dem Staat verboten sei, menschliches Leben zu bewerten. Er könne daher nicht vorschreiben, welches Leben vorrangig zu retten sei. Gleichzeitig verweist der Ethikrat auf die Funktion der medizinischen Fachgesellschaften, Orientierungshilfen zu geben. In deren Leitlinien aber findet eine solche Bewertung statt.

Trotzdem verweist die Bundesregierung in der Antwort auf meine schriftliche Frage zur Problematik der Triage-Entscheidungen lediglich auf die Leitlinien der Fachgesellschaften und die Ad-hoc-Empfehlung des Deutschen Ethikrats. Sie sieht den Gesetzgeber nicht in der Pflicht, selbst Verantwortung zu übernehmen.

Anstatt dafür zu sorgen, dass auch behinderte Menschen eine gleichberechtigte Chance auf Zugang zur lebensrettenden Therapie bekommen, leistet die Bundesregierung damit verfassungswidrigen Empfehlungen Vorschub. Das ist auch für Ärztinnen und Ärzten, die – wie der Ethikrat schreibt – im Fall einer strafrechtlichen Ahndung auf die Nachsicht der Gerichte hoffen sollen, untragbar. Deshalb steht das Parlament in der Pflicht, für Triage-Entscheidungen eine gesetzliche Regelungen zu schaffen, die einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten!

Antwort der Bundesregierung auf meine Frage zu Triage-Entscheidungen

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