Inklusives Wohnen nicht einschränken

[31.10.2019]  schriftliche/mündliche Fragen

Menschen mit Behinderungen haben das Recht zu bestimmen, wo und mit wem sie leben möchten – in diesem Punkt ist die UN-Behindertenrechtskonvention eindeutig. In der Realität ist das leider nicht immer der Fall, unter anderem, wenn die Unterstützung in den eigenen vier Wänden nicht ausreichend finanziert wird. Jetzt könnte es noch enger werden.

Der GKV-Spitzenverband, die Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen, arbeitet gerade an einer Richtlinie, die es behinderten Menschen künftig noch schwieriger machen könnte, inklusiv zu wohnen – also außerhalb von klassischen Wohnheimen. Im Mai wurde ein Entwurf dieser Richtlinie bekannt, der misstrauisch macht. Eigentlich sollte eine Definition für Fälle gefunden werden, in denen die Pflegeversicherung sich nur mit einer Pauschale an den Pflegekosten beteiligt und nicht die volle Leistung zahlen muss. Das ist bisher bereits in „stationären Einrichtungen“ der Eingliederungshilfe (Wohnheimen) der Fall. Weil aber ab 2020 diese Einrichtungen nicht mehr „stationäre Einrichtungen“ heißen, muss die Regelung angepasst werden. Der Richtlinienentwurf ist aber so unklar formuliert, dass selbst behinderte Menschen, die in inklusiven, aber von einem Träger der Behindertenhilfe organisierten Wohngemeinschaften wohnen, fürchten, die Pflegeversicherung könnte so einen Weg finden, sich aus der Finanzierung zurückzuziehen und nur noch die Pauschale zahlen. Dann wären besonders Menschen mit hohem Pflege- und Assistenzbedarf in einer Notsituation, denn ihnen droht dann der Umzug ins Heim.

Ich habe die Bundesregierung gefragt, was sie tun wird, um solche Situationen zu verhindern. Sie hat angekündigt, bei der Prüfung der Richtlinie genau darauf zu achten, dass sich keine Verschlechterung für inklusiv wohnende Menschen ergeben wird. Noch liegt kein abschließender Richtlinienentwurf vor. Ich werde den Prozess weiter beobachten.

Antwort der Bundesregierung auf meine Frage zum inklusiven Wohnen

Wer sich näher über die Problematik informieren möchte, findet hier weitere Informationen: wohnsinn.org

Hintergrund: Derzeit erhalten pflegebedürftige Menschen, die in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe leben, von der Pflegeversicherung nur zehn Prozent der Pflegekosten, maximal jedoch 266 Euro. Den Restbetrag übernehmen die Träger der Eingliederungshilfe. Über den Betroffenen schwebt aber immer das Damoklesschwert, in ein Pflegeheim abgeschoben zu werden, in dem man viel weniger selbstbestimmt leben kann. Da in der Eingliederungshilfe die Kategorie „stationäre Einrichtung“ ab 2020 nicht mehr existiert, benötigt die Pflegeversicherung eine neue Definition der Wohnformen, für deren Bewohnerinnen und Bewohner sie nur die gekürzte Leistung zahlen muss.