Statements zur Vorstellung des Positionspapiers „Vorgeburtliche Bluttests – wie weit wollen wir gehen?“ am 12.10.2018 in Berlin:
Corinna Rüffer (Bündnis 90/Die Grünen): „Schwangere Frauen sollen immer selbst entscheiden können, ob sie ein Kind bekommen möchten. Das Selbstbestimmungsrecht Schwangerer wird aber nicht durch immer mehr Tests gestärkt, sondern wenn sie in dem Gefühl bestätigt werden, dass ihr Kind vorbehaltlos willkommen ist und sie Unterstützung erhalten, sollte das notwendig sein. Die Tests erreichen das Gegenteil: Es wird nach Auffälligkeiten gesucht, für die es keine Behandlungsoptionen gibt. Der Test hat keinen medizinischen Mehrwert. Statt durch immer mehr Tests den Anschein zu erwecken, man habe unter Kontrolle, was für ein Kind man bekommt, müssen wir den Wert der Vielfalt unserer Gesellschaft verteidigen.“
Rudolf Henke (CDU): „Jedes menschliche Leben ist lebenswert. Ethisch hat jeder Mensch einen natürlichen Anspruch, gewollt und willkommen zu sein. Die vom Grundgesetz als unantastbar gewährleistete Würde des Menschen kann und darf auch durch Krankheit, Behinderung oder den Bedarf an Pflege und Fürsorge nicht verloren gehen. Deshalb können und dürfen Würde und Lebensrecht auch nicht von genetischen Eigenschaften eines Menschen abhängen. Die Fortschritte in der genetischen Diagnose zwingen uns als Gesellschaft dazu, die Frage zu beantworten, wie wir mit den dadurch erzeugten Erkenntnissen umgehen wollen. Die Debatte dazu holen wir jetzt anhand des Themas nicht-invasive pränatale Diagnostik an hervorgehobener Stelle in unser Parlament.“
Dagmar Schmidt (SPD): „Ethische Fragen, die so fundamental unsere Werteordnung berühren, brauchen einen breiten gesellschaftlichen Diskurs, der Menschen mit Trisomie, Ärztinnen und Ärzte, Eltern und alle, die daran Interesse haben, beteiligt. Der Bundestag ist der richtige Ort, um diesen Diskurs anzustoßen und in die Gesellschaft zu tragen. Menschen mit Down-Syndrom sind nicht glücklicher oder unglücklicher als andere Menschen. Sie leiden nicht unter Trisomie 21, sondern darunter, nicht angemessen und respektvoll behandelt zu werden. Eltern von Kindern mit Trisomie 21 sollten niemals in die Gefahr geraten, sich für die Geburt ihres Kindes rechtfertigen zu müssen. Wir müssen werdende Eltern von Kindern mit Trisomie 21 umfassend aufklären, sie unterstützen und ihnen die Angst nehmen.“
Jens Beeck (FDP): „Der medizinische Fortschritt muss unabhängig von finanziellen Fragen zur Verfügung stehen. Medizinischer Fortschritt ist davon unbeschadet immer mit ethischen Fragen eng verbunden. Für die kommenden Jahre wird erwartet, dass das medizinische Wissen und das ‚technische Können‘ sich weiter rasant entwickeln. Die aufgeworfenen Fragen halten wir für so bedeutend, dass eine offene Orientierungsdebatte im Plenum des Deutschen Bundestages hierzu die richtige und angemessene Eröffnung einer Diskussion ist.“
Kathrin Vogler (Linke): „Die aktuell zu entscheidende Kassenzulassung des Bluttests auf Trisomie 21 kann eine Türöffnerfunktion erfüllen: Für zwei weitere Trisomien gibt es bereits Bluttests, genauso wie für weitere vier Erbkrankheiten. Nicht über Bluttests, aber über weitere Methoden der Molekulargenetik sind in Großbritannien bereits 400 genetisch verursachte Erkrankungen diagnostizierbar. Dieses Wissen wiederum ist die Basis künftiger Bluttests und so werden in der Folge mindestens für die häufigsten genetischen Prädispositionen Tests auf den Markt drängen. Jetzt ist es noch möglich, eine gesellschaftliche Debatte darüber zu führen, ob und in welchen Fällen vorgeburtliche Gentests legitim sind. Wir müssen wegen der rasanten Entwicklung diagnostischer Möglichkeiten zu einer gesetzlichen Regulierung kommen, die jede Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen vermeidet.“
Sebastian Urbanski (Schauspieler und Synchronsprecher): „Ich bin gegen den Pränataltest, weil er Menschen wie mich schon vor der Geburt aussortiert. Wir alle haben ein Recht auf Leben, schließlich gehören Menschen mit dem Down Syndrom zur Vielfalt des Lebens. Vielfalt heißt auch, dass wir alle gemeinsam leben und arbeiten – Behinderte und Nichtbehinderte. So wie wir in unserem Theater RambaZamba eine große bunte Gemeinsamkeit leben, in der alle eins sind.“
Hintergrund:
Seit 2012 werden Schwangeren vorgeburtliche Bluttests angeboten, die u.a. untersuchen, ob das Kind mit Down-Syndrom auf die Welt kommen würde. Gegenwärtig wird geprüft, ob die Gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für diese Tests übernehmen. Die gesellschaftlichen Auswirkungen und ethischen Fragen, die sich durch die Anwendung der Tests ergeben, werden hingegen von keiner Instanz geprüft und bewertet. Menschen mit Down-Syndrom kommen mit ihrer Perspektive auf ihr Leben, ihre Ziele und Wünsche, wie auch ihre Sichtweise auf diese Tests ebenso wenig zu Wort.
Abgeordnete von CDU, SPD, FDP, Linken und Grünen im Bundestag fordern deshalb eine parlamentarische Debatte, um die ethischen und gesetzgeberischen Fragestellungen zu diskutieren, die sich mit der Zulassung solcher Diagnoseverfahren ergeben.