Tagungsbericht: Inklusion kennt keine Grenzen!

[17.12.2015]  Tagung
Tagung "Grenzen der Inklusion" am 30.11.2015 in Berlin
© Marco Lange

Wie inklusiv eine Gesellschaft wirklich ist, zeigt sich daran, wie sie mit jenen umgeht, die den größten Unterstützungsbedarf haben. Darin waren sich die etwa 150 Gäste unserer Tagung „Inklusion kennt keine Grenzen!“ schnell einig. Hier ist leider noch viel zu tun: Das Hilfesystem bietet gegenwärtig kaum individuelle und bedarfsorientierte Angebote für diese Personengruppe.

Menschen, die mit „herausforderndem Verhalten“ auf ihre Umwelt reagieren, die nicht verbal kommunizieren oder aus anderen Gründen ein höheres Maß an Unterstützung und Pflege benötigen, finden unter den derzeitigen Rahmenbedingungen meist nur in stationären Komplexeinrichtung die Unterstützung, die sie brauchen. Dabei handelt es sich oft um große Gebäudekomplexe, die Wohnheim, Werkstatt für behinderte Menschen, Tagesförderstätte und Freizeitangebote vereinen. Meist liegen sie am Ortsrand und weit entfernt vom ursprünglichen Wohnort der behinderten Menschen.

Wie kann das Recht von Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf auf Selbstbestimmung gestärkt werden? Welche individuellen Lösungen kann es geben? Wie müssen Angebote und Rechtsvorschriften geändert werden, damit auch für diese Menschen ein inklusives Leben, Lernen oder Arbeiten möglich ist? Diese Fragen standen im Fokus unserer Tagung „Inklusion kennt keine Grenzen!“ am 30. November in Berlin, auf der Fachleute und Betroffenen von ihren Erfahrungen berichteten.

Prof. Dr. Monika Seifert, Vorsitzende der Deutschen Heilpädagogischen Gesellschaft, machte in ihrem einführenden Vortrag deutlich: Der Anspruch, die Gesellschaft inklusiv zu gestalten, und die Realität sind – trotz mancher ermutigenden Beispiele – weit voneinander entfernt. Simone Ahrens berichtete von ihrem langwierigen Kampf mit Behörden, um für ihren Sohn Kevin die notwendige Unterstützung außerhalb eines Wohnheims zu erhalten. Abschließend stand die die Frage nach individuellen Wohnformen und Arbeitsmöglichkeiten für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf im Mittelpunkt einer Podiumsrunde. Schnell stellte sich heraus, dass Instrumente wie das „Persönliche Budget“ zwar sehr gut geeignet sind, Wohn- und Arbeitsverhältnisse individuell zu gestalten. Doch gerade bei Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf werden diese Instrumente selten ohne größere Auseinandersetzungen bewilligt.

Viele Alltagserfahrungen und politische Forderungen, die während der Tagung laut wurden, sind altbekannt: Seit Jahren s wird über eine Reform der Eingliederungshilfe gesprochen und mindestens ebenso lange ist deutlich, dass sich die Bedarfsermittlung stärker an der individuellen Situation orientieren muss. Auch die Probleme in der Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger und der Ruf nach unabhängiger Beratung sind alt. Doch unabhängig davon, wie viel Unterstützung ein Mensch braucht, hat jeder das Recht, mitten in der Gemeinde leben, lernen und arbeiten zu können. Das künftige Bundesteilhabegesetz muss die Weichen so stellen, dass unsere Gesellschaft wirklich inklusiv wird: Nur wenn alle mitgenommen werden, kann ernsthaft von Inklusion die Rede sein.