Menschen mit Behinderung fühlen sich von Behörden nicht unterstützt

[23.05.2019] 

Viele behinderte Menschen brauchen in ihrem Alltag Unterstützung, beispielsweise durch Assistenz, Hilfsmittel wie Rollstühle oder Umschulungen. Sie haben deshalb viel mit Behörden zu tun, um die entsprechenden Leistungen zu beantragen. Um einen Überblick zu bekommen, was dabei gut und was schlecht läuft, haben wir dazu Ende 2018 eine Online-Umfrage durchgeführt – und mehr als 3.000 Rückmeldungen bekommen. Die meisten zeigen leider, dass der Behördendschungel sehr dicht ist: Menschen mit Behinderungen werden oft als Bittsteller behandelt, schlecht beraten und erhalten die ihnen zustehenden Leistungen vielfach erst nach langem Kampf.

So fühlt sich nur ein kleiner Teil der Befragten von der zuständigen Stelle kompetent beraten. Einige Teilnehmer*innen der Umfrage gaben sogar an, sie fühlten sich unter Druck gesetzt, ihren Antrag zurückzuziehen oder weniger zu beantragen. Außerdem fühlen sie sich gegenüber den Behörden eher als „Bittsteller“ und müssen sich selbst umfassend mit der Rechtslage befassen, um die Unterstützung zu erhalten, die sie benötigen.

Knapp ein Drittel der Befragten hat die beantragten Leistungen nicht erhalten. Ein Viertel erhielt die Leistung nicht in der beantragten Form oder im beantragten Umfang. Dabei ist die Ablehnungs- und Bewilligungsquoten je nach Leistungsträger unterschiedlich: Die gesetzlichen Krankenversicherung lehnen 41 Prozent der beantragten Leistungen ab, die Sozialämtern nur 21 Prozent.
Viele Personen erhalten die ihnen zustehenden Leistungen erst nach Widerspruchs- oder sogar Klageverfahren.

Auch die Bearbeitungsdauer ist relativ lang: In der Hälfte der Fälle wurde innerhalb der ersten drei Monate über den Antrag entschieden. Bei jedem fünften Antrag lag die Bearbeitungszeit zwischen drei und sechs Monaten. In jedem zehnten Fall dauerte die Bearbeitung sogar länger als ein Jahr. Auch hier gibt es deutliche Unterschiede zwischen den je nach Leistungsträger: Die gesetzliche Krankenversicherung bearbeitet Anträge tendenziell schneller – allerdings gelten hier auch gesetzliche Fristen, innerhalb derer die Kasse entscheiden muss (§13 SGB V) und die Ablehnungsquote ist sehr hoch. Bei den Sozialämtern sind die Bearbeitungszeiten länger, aber es werden weniger Anträge abgelehnt.

Zwar ist die Umfrage nicht repräsentativ, da die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht per Zufall ausgewählt wurden. Dennoch sind die Ergebnisse der Umfrage ein deutliches Zeichen dafür, dass sich Menschen mit Behinderungen von den zuständigen Behörden vielfach nicht kompetent beraten fühlen. Eine gute Beratung durch die Sozialversicherungsträger und die gleiche Behandlung aller Menschen sollte im deutschen Sozialsystem aber selbstverständlich sein.

Dass es erhebliche Ungleichheiten beim Zugang zu Leistungen gibt, wie die unterschiedlichen Bearbeitungszeiten und Ablehnungsquoten belegen, und viele Betroffenen den Rechtsweg beschreiten müssen, lässt vermuten, dass sich die Behörden nicht immer an die Gesetze halten, die sie ausführen müssten. Das ist nicht im Sinne des Gesetzgebers.

Mit den Ergebnissen der Umfrage werden wir nun parlamentarisch weiterarbeiten.

Ausführlicher Ergebnisbericht zur Umfrage