Volles Haus bei: Welches Land wollen wir sein?

[22.07.2016]  Veranstaltung
"Welches Land wollen wir sein?", 12.7.2016 Theater Trier

Wollen wir eine offene Gesellschaft sein, geleitet von Freiheits- und Menschenrechtsidealen, oder eine exklusive Gesellschaft, die ihre Identität vor gefühlten äußeren Bedrohungen sichert? Und wenn wir eine offene Gesellschaft sein wollen: Was sind wir bereit, dafür zu tun? Welche Haltung erweist sich als geeignet, um mit den Herausforderungen erfolgreich umzugehen?

Das waren die Kernfragen, auf die unsere Podiumsgäste am 12. Juli im sehr gut gefüllten Foyer des Trier Theaters mit dem diskussionsfreudigen Publikum Antworten suchten. Dass die Diskussion spannend werden würde zeigte schon das Eingangsstatement des Politikwissenschaftlers Dr. Winfried Thaa mit Blick auf den Titel des Abends: „Ich habe lange überlegt, ob ich überhaupt zu der Veranstaltung kommen soll. Ich will kein Land sein. Die Frage ist doch vielmehr: In welchem Land wollen wir leben?“ Den Faden griff die Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. phil. Michaela Brohm auf und wies auf den Mangel an Werten in unserer Gesellschaft hin: „In Langzeitstudien über 20 Jahre hinweg, hat man versucht herauszufinden, was die Menschen ausgezeichnet hat, die anderen während der Verfolgung bei der Shoah (hebräisch für Holocaust) geholfen haben. Sie alle haben in ihrer Kindheit ein gesundes, humanistisches Weltbild und dessen Werte mit auf den Weg bekommen.“

Auffällig war die große Diskussionsfreude und Beteiligung des Publikums. Gleich am Anfang der Veranstaltung hatte der Intendant des Trierer Theaters Dr. Karl Sibelius, der die Moderation innehatte, das Eis gebrochen, indem er das Auditorium aufforderte, einfach mal drei Minuten mit der Nachbarin oder dem Hintermann über das Thema des Abends zu sprechen. In Sekunden wurde aus einer ruhigen Zuhörerschaft eine angeregt diskutierende Menge. Jung diskutierte mit Alt, Grün mit Nicht-Grün, Progressiv mit Konservativ so intensiv, dass die Podiumsgäste kurzzeitig überlegten zu gehen und der Debatte im Saal nicht im Wege zu stehen.

Auch die weitere Diskussion war geprägt vom Wechsel wissenschaftlicher Lösungsansätze und handfesten, praktischen Herangehensweisen. So brachte der Kulturschaffende Ralf Kotschka den immer noch fehlenden Umgang mit den digitalen Medien in der Kultur und Politik ins Gespräch ein. Während eine junge Teilnehmerin von ihrer Besonderheit als Arbeiterkind auf der Universität erzählte und den gleichen Bildungszugang für alle forderte. Prof. Dr. Hartmut Zoppke (Maschinenbau Hochschule Trier) verwies auf die kleinen Schritte, die wichtig sind um die Gesellschaft langfristig zu ändern. In seinem Team proTRon arbeiten etwa 50 Studierende an der Entwicklung von effizienten, elektronischen Automotoren. „Auch wenn die Jungs und Mädels mit starkem Engagement dabei sind: Auf ihrem Bildschirmschoner am PC sieht erscheinen dann trotzdem die neusten, dicken Wagen. Ich kann da nur eine neue Sicht auf Dinge vermitteln und hoffen, dass etwas davon später in ihre Arbeit einfließt“, so Zoppke. Mohamed Massri, Dipl. Sozialpädagoge bei Starthilfe e. V., erzählte von den Schwierigkeiten junger straffällig gewordener Menschen. Aus dem Publikum kam daraufhin die Frage: „Wenn wir bei diesen Menschen schon früh sehen, welchen Weg sie nehmen werden, warum versuchen wir dann nicht mal was anderes? Das bisherige System scheint doch zu versagen.“

Von einem positiven Wandel im System wusste Thomas Kupczik, Pastoralreferent und Vorsitzender des Vereins „Für ein buntes Trier – gemeinsam gegen Rechts e.V.“, zu berichten. Auf die Frage, wo denn die großen Friedensinitiativen der letzten Jahrzehnte geblieben seien, antwortete er: „In vielen kleinen Projekten. Die großen Demonstrationen sind vorbei, aber die Arbeit geht auf den unterschiedlichsten Ebenen weiter.“

Die Veranstaltung fand im Rahmen des bundesweiten Debattenformats „Welches Land wollen wir sein? – Die Debatte in Deutschland“ statt, die seit November 2015 läuft. Initiiert haben sie Harald Welzer, Soziologe und Sozialpsychologe sowie Direktor der Stiftung „Futurzwei“, und Alexander Carius, Politikwissenschaftler und Geschäftsführer der Denkfabrik „adelphi“.