Menschen mit Behinderungen haben häufig Probleme beim Zugang zu Teilhabeleistungen. In der → Online-Umfrage, die ich dazu vor einem Jahr durchgeführt habe, teilten sehr viele Menschen mit, dass sie insbesondere mit der Beratung seitens der Sozialleistungsträger nicht zufrieden sind. Doch die Bundesregierung sieht hier keinen Handlungsbedarf. Die rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen für eine umfassende Beratung der Bürgerinnen und Bürger durch Sozialleistungsträger auf Augenhöhe seien gegeben, antwortet sie auf Nachfrage durch unsere Kleine Anfrage (Frage/Antwort 2).
Zudem kann die Bundesregierung nichts über Probleme bei der Inanspruchnahme von Teilhabeleistungen sagen. Sie kündigt zwar an, dass der Teilhabeverfahrensbericht einen besseren Überblick liefern solle. Er wurde jedoch erst nach Beantwortung der Anfrage veröffentlicht und ist noch nicht ausgewertet. Genaue Erkenntnisse liegen also immer noch nicht vor.
Dabei deuten in der Antwort auf die Kleine Anfrage einige der mitgeteilten Zahlen einzelner Sozialleistungsträger darauf hin, dass nicht alles so reibungslos läuft, wie es die Bundesregierung darstellt. Beispielsweise war 2018 bei der Rentenversicherung (im Bereich der Rehabilitationsleistungen) jeder zweite Widerspruch gegen Entscheidungen erfolgreich (Anlage 2 zu Frage 9). Bei den Krankenkassen stauen sich die unbearbeiteten Anträge und Wiedersprüche aus den Vorjahren. Diese sind zwischen 2009 und 2018 kontinuierlich gestiegen (Frage/Antwort 4).
Unterschiede bei der Bewilligung von Leistungsanträgen gibt es außerdem hinsichtlich der Leistungsart. So lehnt die Rentenversicherung ungefähr ein Viertel der Anträge auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab und sogar ein Drittel der Anträge zu Kraftfahrzeughilfen (Anlage 1). Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden hingegen seltener abgelehnt.
Die oftmals langen Bearbeitungszeiten sind für die Betroffenen besonders ärgerlich, weil sie die beantragten Leistungen meist dringend benötigen. Auf Rückfrage, wie sich die Betroffen beschweren können, zählt die Bundesregierung die möglichen rechtlichen Schritte (wie Klagen) auf. Außerdem könnten sich „Betroffene an die jeweils zuständige Aufsicht wenden und dort Beschwerde einlegen. Das kann im Einzelfall die Fachaufsicht, die Rechtsaufsicht oder die Dienstaufsicht betreffen“. Niedrigschwellige Möglichkeiten: Fehlanzeige. Woher aber sollen die Betroffenen wissen, welches nun die richtige Stelle für Beschwerden ist? Wer keinen Rechtsanwalt hat bzw. sich keinen leisten kann, hat Pech gehabt. Außerdem dauern Klageverfahren in der Regel mehrere Monate. Zeit, die die betroffenen Menschen nicht haben.
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Zugang von Menschen mit Behinderungen zu Teilhabeleistungen“, Bundestags-Drucksache 19/16281, 30.12.2019
Erster Teilhabebeverfahrensbericht der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabiliation